22 km
brans – marnay
22 km
brans – marnay
18 km
marnay – gy
mein tagesziel hatte heute ein vor-ziel. kurz vor ankunft in der herberge kam ich an der abbaye-de-citeau vorbei, die eine belebte geschichte hinter sich hat: in abgrenzung zu cluny als einfache zisterzienser-abtei gegründet, etliche leitungs-wechsel wg. unterschiedlicher zielausrichtungen, benachteiligten jugendlichen von der strasse in beruf und leben geholfen, während der französischen revolution zerstört und von napoleon einkassiert, wieder errichtet, heute leben an die 30 patres hier und stellen – ihrer tradition folgend – käse und honig her, die sie neben anderem in ihrem shop verkaufen.
ich schaute in ihre kirche und verstand sie sofort: das war keine prunkvolle wie diejenigen, die ich bisher gesehen hatte (sogar die kirche von taizé war schmuckvoller). kaum schmuck, klare gerade ausrichtung, sehr hell, flexible inneneinrichtung. ein schlichter, einfacher stil.
dann kam ich in der pilgerherberge grange de saule an – die scheune von saule. ein winzig kleines hinweisschild, das zum hintereingang führte. im offenen teil der scheune standen mehrere ältere wohnwagen, die als pilgerquartier dienten.
am anderen ende der scheune ein lang gestreckter raum, der wohnraum war und viele funktionen integrierte. ausgehend von der eingangstür kamen diese einrichtungen: putzen (waschbecken + schrank), 1.-hilfe + verwaltung (tisch), essen (3 tische + entsprech. stühle), zentral ein pellet-ofen, schlafen (bei mir 1 klappbett), freizeit/bildung (sideboard mit büchern + zeitschriften), küche (geschirr + kochutensilien), kühlschrank, epicerie (3 grosse schubladen), kochen + spülen. dahinter ein abgegrenzter raum mit 1 WC, 1 dusche, 1 waschbecken, gegenüber lager von weiteren liegen und decken. einfacher geht es kaum ( ausser zelt und freiluft).
für das heutige datum war der zentrale ofen das prunkstück dieses multi-funktions-raumes! es ging – ich hatte ein selbst gekochtes standard-essen (dieses mal sogar mit suppe) inkl. wein und ich habe – liege neben dem ofen – gut geschlafen gut – ich persönlich hätte den raum etwas mehr gereinigt.
heute habe ich zeit – ich kann erst nach sechs ihr ankommen, weil die ‚herbergs-eltern‘ da erst von ihrer arbeit nach hause kommen. also setze ich mich in beaune gemütlich in ein café. doch kaum sitze ich, steht zwei tische weiter ein mann meines alters auf und kommt herüber. er fragt woher ich komme und fängt dann in gutem deutsch ein gespräch an. er wolle nicht stören, aber er hätte die muschel am rucksack gesehen. das muss ein jakobspilger sein, und das mache ihn immer neugierig. er sei in der vergangenheit schon mehrmals jakobswege gegangen und hätte so wunderschöne erfahrungen gemacht. ich musste ihm ‚meine geschichte‘ erzählen.
während dieses netten gesprächs bekomme ich vom nachbartisch zwei kekse, die man zum kaffee bekommt, herüber gereicht mit der bemerkung: wer pilgert, braucht immer was zu essen, und sei es nur was kleines.
der weitere weg führt mich wieder durch weinberge. heute wird gearbeitet. überall werden die reben zurück geschnitten, gesammelt und in fahrbaren liegenden fässern verbrannt. der weg führt an weinkeltereien, weinkellern, weinverkaufsräumen vorbei.
bis ich schliesslich abends in eine pilger-familie ‚reinrutsche‘. kaum habe ich den rucksack abgelegt, ist anne, die frau des hauses, mit mir im gespräch über unsre erfahrungen. als sie vor jahren von ihrem camino zurück kam, nahm sie pilgerinnen, die vorbei kamen, für eine nacht auf. als deutschlehrerin sprach sie gut deutsch, was mir entgegen kam. mit marco, dem hausherrn, sprach ich französisch so gut es ging. ebenso mit den beiden halbwüchsigen töchtern, die mit mir ihre deutsch-kenntnisse vertiefen sollten/wollten. es war ein zweisprachiges abendessen, bei dem jeder von uns vom anderen lernte.
und dazwischen hat mir anne die nächste üernachtung festgeklopft. das ist pilgern auf französisch!
bourgogne – den südlichen teil habe ich schon wieder durchschritten. vor allem gestern und heute bin ich durch viele weinberge durchgelaufen. heute waren auch sehr viele weingüter und weinkeller am weg.
ich denke, es ist nicht sinnvoll mich hier über den vin de bourgogne auszulassen. ich habe ihn genossen, wo es möglich war. die ‚viertele‘ weisswein gestern und heute haben mir sehr gut geschmeckt! und die nächsten tage hoffe ich auf weitere.
auch wenn er vor ort noch am besten schmeckt – probiert ihn selbst!
taizé ist nicht nur der ort taizé (der eine wunderschöne kirche hat!). es ist die ökumenische communauté de taizé. nächstes jahr werden es 75 jahre sein, die diese brüder-gemeinschaft besteht. am anfang des zweiten weltkriegs gründet frère roger die gemeinschaft in der „die Güte des Herzens und die Einfachheit im Mittelpunkt stehen.“ (Frère Roger) ihr gehören heute ungefähr hundert brüder aus vielen ländern und verschiedenen evangelischen und der katholischen kirche an.
nächstes jahr feiert diese communauté den 100. geburtstag ihres gründers. vor ungefähr 40 jahren war ich im rahmen meiner dekanatsarbeit in heidenheim mit einer gruppe junger erwachsener zum ersten mal in taizé. ich war begeistert, wie glaube und kirche dort gelebt wurden. zusammen mit vielen jugendlichen, die – wie wir – für ein paar tage in taizé miteinander redeten, den alltag bewältigten, sangen und beteten.
so konnte mein rückweg nur über taizé führen. es war leerer jetzt im dezember, nur ganz wenige gruppen waren da. zum fünften mal aber genoss ich abendgebet und morgengebet mit vielen jungen und jung gebliebenen menschen und den brüdern in der kirche der gemeinschaft. ich stand mit ihnen in der schlange zur essensausgabe und ich konnte mit einigen jungen deutschen beim essen und drum herum reden.
wie früher nehme ich aus taizé eine intensive erfahrung mit, wie ganz einfach und doch mit grösster achtsamkeit menschen mit sich, anderen und ihrem glauben umgehen können.
heute geht wieder ein abschnitt meines weges zu ende. frankreich begann mit st.-jean-pied-de-port und in le puy war dann die via podiensis zu ende.
heute verlasse ich in cluny den französischen teilweg von veselay aus. die alte abtei cluny – manche sagen die kirche in der kirche – hat den chemin de st. jacques gefördert und geprägt.
für mich ist cluny ganz praktisch eine schaltstelle: bisher habe ich ordentliche herbergs-verzeichnisse und gute wanderkarten nutzen können. das geht nun nicht mehr. es gibt von nun an weniger herbergen und es stehen mir keine listen o. ä. zur verfügung. auch die karten sind an jetzt etwas ‚grober‘.
der weitere weg wird spannender.
ich bin in einer schönen und stilvollen herberge weit draussen ‚in der pampa‘ angekommen. der so genannte zufall hat mich hier her geführt. und es wird noch ein zweiter herbergs-gast erwartet. es ist kein pilger und kein wanderer, er kommt mit dem auto hier her und er trägt einen grossen musikinstrumenten-koffer ins haus. der form nach ist es ein streichinstrument. nach langer, langer zeit bin ich wieder zu zweit in der herberge. französische konversation! während und nach dem abendessen tauschen wir unsere derzeitigen lebensabschnitt-erfahrungen aus. und so erfahre ich, dass jacques früher auf seinem cello so alles querbeet gespielt hat und dass er am liebsten improvisiert, statt nach noten zu spielen. und nun ist er auf dem weg zu einem hospital mit einer abteilung für an krebs erkrankte menschen. dort wird er morgen ein kleines konzert geben, wie schon vorher in anderen krankenhäusern. alles was er bei sich hat ist sein instrument und ein A-4-blatt mit 20 – 25 titeln unterschiedlichster art – auch selbst komponiertem. noten verhindern den kontakt zum publikum, vor allem bei auftritten wie diesem spielt er intuitiv. da er kein englisch kann, geht es nur in französisch. doch er bemüht sich einfach zu reden und ich verstehe ihn nicht nur gut, sondern lerne noch etwas dazu. – und er lernt, dass johann sebastian nicht Back, sondern Bach heisst. und dass sein konzert für die zuhörer ‚umsonst‘ ist. am nächsten morgen nehmen wir voneinander abschied mit ‚bon chemin‘ und ‚bon concert‘.
der mensch denkt und der camino lenkt. da dachte ich vorgestern, ich gehe morgen noch ein paar wenige kilometer weiter, dann sind es übermorgen nicht über 31 km, sondern unter 30. das hat dann gestern auch gut geklappt.
und heute bin ich etwas früher los, um ‚alle zeit der welt zu haben‘. heute morgen war auch der nebel weg und ich bin erstmal kräftig hoch gestiegen, um dann eine wunderschöne aussicht zu haben wie schon lange nicht mehr. im laufe des vormittags habe ich dann versucht mein abendliches bett zu reservieren – von der unbekannten rufnummer bis zum anrufbeantworter (dem ich mein anliegen aufgesagt habe) war wieder alles dabei. um die mittagszeit – kurz vor dem ort vorher (nun lagen ’nur‘ noch zehn kilometer waldwege vor mir) – wollte ich sicher gehen, was nun wirklich geht. in der mairie (rathaus, ortsverwaltung) hatte ich dann eine freundliche dame am ohr, die mir alle schlafmöglichkeiten an diesem ort zunichte machte. nichts ging! sie versuchte zu trösten, wo ich denn sei? – ja kein problem dort! – danke!!
jetzt ist es ein uhr, der wander-tag hätte noch was und du sitzt ihn in diesem kaff (sorry) aus. frust breitete sich in meinem inneren aus. ich suchte mir ein ruhiges und überdachtes plätzchen, denn meiner stimmung angepasst hatte es mit regnen begonnen. dort studierte ich alle meine wander- und pilgerführer und -listen. aber es gab keine reelle möglichkeit. ich war zum hier bleiben verdammt. also ging ich in die bar des ortes und fragte nach der telefonnummer der für eine herberge verantwortlichen. drei personen suchten nun nach der nummer und einer rief sogleich an: hier braucht ein pilger ein bett! – innerhalb 15 minuten wurde ich von der guten fee in die kommunale herberge geführt. service pur!
nachdem ich mich eingerichtet hatte, schaute ich noch einmal meine nächsten tage bis cluny bzw. taizé an. ich entdeckte eine kleine herberge, die mir in zwei angenehmen tagesetappen den weg nach taizé ebnen würde. neue möglichkeiten taten sich auf. ich rief an und erreichte sofort einen freundlichen menschen, die mir ein bett und verpflegung für den nächsten abend zusagte!
was kann es schöneres geben auf pilgerwegen!
… ist im advent erwacht …
vorher schon bei mir auf meinem weg leuchten immer wieder die lichter von kerzen auf. seit renate und ich auf dem camino sind, ist es usus geworden, das wir in der einen oder anderen kirche für jemanden eine kerze anzünden. sei es, weil sie für uns wichtig ist oder auch, weil es ihr gerade, aus welchen gründen auch immer, nicht so gut geht.
ich habe es auf meinem weg zurück auch so gehalten. wenn ich erfahren habe, dass es jemandem gerade nicht so gut geht, habe ich auf dem weg zur nächsten offenen kirche an sie gedacht und dann als zeichen dafür, dass ich ihr alles gute wünsche, eine kerze angezündet. so wie das licht dieser kerze den kirchenraum ein wenig heller machte, so wünschte ich ihr mehr licht in ihrer jeweiligen situation.
auch im advent zünden wir kerze für kerze an als zeichen der hoffnung, dass für alle menschen die welt heller werde. das ist ja auch ein grund meines langen weges: jeder meiner vielen kilometer ist ein beitrag zu einer besser werdenden welt von einigen kindern in nordindien.
für jeden einzelnen von euch ist der euro-betrag meiner tages-etappe wenig. was ihr aber dann zusammen gebracht habt, ist für das projekt ashadeep von grossem wert! daher sei den bisherigen spendern/sponsoren sehr herzlich gedankt! und wenn dann alle kilometer in euro auf dem sonderkonto eingegangen sind, dann wird anschliessend für kinder, die wirklich hilfe not-wendig haben, die welt ein wenig heller.
nicht nur am adventskranz und in den kirchen.
21 km
saint-jean-de-losne – dole
16 km
ferme de saule – saint-jean-de-losne
seit ein paar tagen gehe ich viel durch wälder. egal ob nebel oder sonne – die atmosphäre im wald ist urig und faszinierend. ganz allein durch den nebligen tann zu gehen, das hat etwas!
auf meinem weg heute durch den wald fiel mir irgendwann ein geräusch auf, das ich nicht so recht identifizieren konnte. ein ganz gleichmässiges brummen, wie eine entfernte autobahn. sie, bzw. ich, kam näher, obwohl laut wanderkarte keine in der nähe war. das es auch keine autobahn ist, so gleichmässig das war, das wurde mir dann auch klar. es ist irgendetwas hier im wald. da es immer näher kam, machte ich mich schon bereit auf die seite zu gehen, falls notwendig. in das gleichmässige brummen hatte sich nun auch ein knirschen wie brechendes holz gemischt.
als ich dann um die ecke bog, bot sich mir ein bild der verwüstung: ein stück waldfläche, auf dem wirr durcheinander wurzeln und äste aller grössen lagen wie auf einem schlachtfeld. dahinter lagen lange baumstämme fein gestapelt. und dahinter wütete ein ungetüm von einem ganz besonderen bagger. es riss ganze fichten aus dem boden heraus, schwenkte sie – als wären es kleine latten – horizontal, um dann die seitlich wegstehende wurzel abzusägen. dann schob sich der stamm durch das dicke teil und kam total entastet heraus. der wurde anschliessend fein säuberlich auf einen weiteren stapel gelegt. es war grauslig anzusehen und anzusehen.
der mensch in dieser höllenmaschine muss mich wohl gesehen haben, denn das ungetüm fuhr etwas vom weg fort und ‚arbeitete‘ im wald weiter. ich konnte vorbei. jetzt wusste ich, warum an manchen stellen im wald nur wurzeln und äste lagen und auf dem weg davor tiefe mit wasser gefüllte gräben und drum herum sehr viel schlamm war, der kaum ein durchkommen zuliess.
30 km
ladoix-serrigny/buisson – ferme de saule
19 km
propières – ouroux
23 km
pouilly-sous-charlieu – le cergne
mein stock und ich – das ist in der zwischenzeit eine recht lange geschichte. stichworte darin sind: abschluss-geschenk von den eltern meiner letzten klasse, das letzte stück weg bis santiago mit renate geteilt, nach der unterbrechung durch den tod meiner mutter in der heimat liegen gelassen, mit hilfe von renate und therèse in frankreich wieder bekommen.
seitdem hat er mir ungeahnte dienste geleistet! er war mir stütze in vielen situationen. er hat mir einige hunde vom leib gehalten. als verlängerten arm konnte ich ihnen deutlich signalisieren, keinen schritt weiter! sie haben es immer verstanden – nie kam es zum stock-hund-kontakt. gut so.
den eigentlichen zweck (stütze sein) genoss ich insofern, als mit dem dritten holzbein eine kleine pause zum schauen gemütlicher war. auch ein steinchen in meinem schuh oder kletten am hosenbein waren viel leichter zu entfernen mit einem entsprechenden stockeinsatz.
spazierstock-artig ging das laufen leichter von der hand, die arme (vor allem mein linker) konnten mehr mitarbeiten. besonders bergauf war dies eine grosse hilfe. aber auch bergab konnten die knie etwas geschont werden.
ach ja, ganz selten wurde mein stock als zeige-stock eingesetzt.
lange brombeer-triebe oder ähnliches am wegesrand hielt er mir beim vorbeigehen auf abstand.
die krönung der stock-dienste aber ist die stütze auf wasser- und vor allem schlamm-wegen. kleine bächlein haben immer wieder mit mir den weg geteilt. mit hilfe des stockes sind die schuhe dann nicht ganz so schnell nass geworden. aber seitdem das wetter regnerisch geworden ist, sind die unbefestigten wege feuchter und schlammiger geworden. da konnte man schon mal bis über den knöchel im schlamm stecken bleiben. die kombination schlamm und grosse pfützen auf der ganzen wegbreite haben mir bisweilen ein weiterkommen schier unmöglich gemacht. mit dem stütz-stock-einsatz konnte ich dann wenigstens den schmalen halbwegs festen wegrand nutzen.
und neuerdings dient mein stock der überprüfung der schlamm-festigkeit und -höhe. bis zu ca. drei zentimetern einsink-tiefe kann ich mit etwas vorsichtigen tritten auch direkt überwinden.
wenn ich in den tagen meines rückwegs (besonders seit le puy studiere ich die wanderkarte genauer) die karte sehr genau angeschaut habe, dann habe ich entdeckt, dass der optimale und geschickteste weg manchmal nicht der jakobsweg ist, sondern eine strasse. so habe ich mir einen an- und abstieg erspart oder auch einmal ein paar hundert meter bzw. den einen oder anderen kilometer.
das macht nachdenklich! schon in spanien und auf dem ersten französischen teil ist mir aufgefallen, dass der jakobsweg eher umständliche umwege macht. der straßen-verkehr dagegen folgt dem geschickteren und dem gelände angepassteren verlauf. nachdem mir das aufgefallen ist und ich dieses ‚phänomen‘ öfters beobachtet habe, haben mich immer wieder einige fragen beschäftigt:
welches ist das original? was war am anfang in mittelalterlicher zeit? wann und aus welchem anlass wurde der weg geändert? wer hat das entschieden? ich habe versucht antworten zu finden, die hier verkürzt dargestellt sind.
die vielen mittelalterlichen pilger haben den leichtesten und kürzesten weg gesucht! nach der erfindung des motorisierten verkehrs nutzten die straßenbauerinnen die wunderbaren vorgaben der pilgerwege. die motorisierten wurden mehr und haben auf den alten pilgerwegen immer mehr die fussgängerinnen verdrängt. für die pilgerinnen wurde der moderne verkehr immer gefährlicher (und für die autos wurden die pilger immer mehr zum hindernis). da in der zwischenzeit viele landwirtschaftliche und wanderwege entstanden sind, wurden die pilgerwege auf diese verlegt. ecken und längere (um)wege waren dabei für die planer kein problem.
heute wird die pilgerin über den berg oder über irgendwelche feldwege geleitet, während die autofahrerin über den möglichst horizontalen und kürzesten weg geführt wird. wenn man es recht bedenkt – eine farce (franz. streich, spass). der spass ist da eher bei der autofahrerin als bei der pilgerin.
24 km
dole – brans
20 km
le cergne – propières
als ich loszog, regnete es noch. kurze zeit später wurden aus den regentropfen kleine schneeflocken. mir kamen spontan meine (ehemaligen) schüler in den sinn. diese erfahrung des ersten schneefalls konnte ich jährlich machen: irgendjemand in der klasse ruft ‚es schneit!‘ und von diesem moment ist an eine fortführung des unterrichts vorerst nicht mehr zu denken. je nach alter drehen sich nur die gesichter richtung fenster oder aber viele springen auf um die ersten flocken genauer sehen zu können. ich bin heute zuerst einmal nur stehen geblieben und habe geschaut.
im laufe des weitergehens hörte dieser erste leichte schneefall dann irgendwann auf. da mein weg in niedrigere regionen führte, sind es dann nur regentropfen gewesen, die mein haupt benetzten.
am ende dieses tages erwartete mich eher ein hotel als eine gite. die letztere und ein chambre d’hôtes gab es nicht, also blieb nur die übernachtung im hotel. das gönne ich mir aufs wochenende. und weil ich davon ausging, dass in der nebensaison irgendein zimmer frei ist, habe ich auch nicht reserviert.
schon aus der ferne hörte ich fröhliche festmusik erschallen. hier scheint gefeiert zu werden. nun hoffte ich, dass sich dies nicht auf die hotel-belegung auswirkt. als ich durch die strassen der stadt ging, ertönte musik aus lautsprechern an den laternenmasten. das scheint typisch für frankreich zu sein. bei einem fest werden die strassen der stadt beschallt. eine heimelige atmosphäre entsteht. in der stadt ist an diesem wochenende weihnachtsmarkt.
kommen da auch leute von auswärts, die über das ganze wochenende bleiben wollen – und ein hotelzimmer buchen? – es ist so! alles belegt! aber das war kein problem. am empfang wird telefoniert, einmal, zweimal, dreimal: einverstanden mit einem zimmer zu 30 €? d’accord! in einer stunde werde ich hier abgeholt und in den nächsten ort zu meinem zimmer gebracht.
also ging ich über den kleinen markt und erlebte gerade noch den umzug von trachtengruppen und blasmusik mit. und danach gab es zwei crêpe. früher als angekündigt wurde ich abgeholt und in eine gite im nächsten ort gefahren. ich hatte ein bett und bekam ein gutes und reichhaltiges abendessen dazu.
auf dem jakobsweg irgendwo zwischen le puy und cluny muss der geburtsort gewesen sein für die redensart ‚das kommt mir spanisch vor!‘ es war wohl mindestens eine pilgerin vorher in spanien den camino francese richtung pyrenäen gelaufen und sie hat sich laufend nach den gelben pfeilen umgedreht um den weg zu finden. nachdem die pilgerinnen le puy in richtung cluny verlassen haben, müssen alle das gleiche gefühl gehabt haben: dieser weg ist für die andere richtung gemacht!
wie in spanien habe ich in den letzten tagen mich umgedreht um die kleinen (ca. 4 x 4 cm) schildchen mit der gelben muschel zu suchen. ich habe an gabelungen und abzweigen die mindestens zwei möglichkeiten ‚angelaufen‘ um den richtigen weg zu finden. ich habe im ausschluss-verfahren die wege mit der durchgestrichenen muschel gesucht. dieser jakobsweg ist nur von cluny nach le puy angenehm zu pilgern.
zudem bin ich froh, dass ich gute wanderkarten im pilgerführer habe. sie erleichtern es mir sehr den weg zu finden. und ich bin sehr froh darüber, dass ich dieses kleine GPS-fähige teil mit mir habe – bestückt mit einer französischen karte, die sich bis in die kleinsten strassen hinein zoomen lässt, und einem so genannten track dieses pilgerweges. ich wäre ohne dieses kleine digitale wunderding an einigen stellen total verloren – im wahrsten sinn des wortes! ein hoch auf die moderne digitale technik.
auch heute (wie in den vergangenen tagen) habe ich irgendwann die kleinen schildchen nicht mehr gefunden. und als die karte mir nicht weiter half, habe ich mich durch das GPS orten lassen. dann brauchte ich nur zu schauen, wo die jakobsweg-strecke ist. wenn ich nur ein klein wenig auf irgendeinem weg gehe, sehe ich an der bewegung des GPS-pfeils, ob ich mich in die richtige richtung bewege. war ich wieder zurück auf dem weg, schaltete ich das ding wieder ab. so hütet mich das handy vor dem verirren, wenn ich im wald den rechten weg verloren habe. erst seit zwei, drei tagen helfen mir zusätzlich die gelb-weissen zeichen. die sind nach beiden richtungen aufgestellt. ein dank den menschen, die sich diese mühe gemacht haben. hoffentlich hab ich diese zweifarbigen streifen noch eine weile.
ich brauche dringend handschuhe! wenn, dann muss ich sie hier in der stadt einkaufen. aber das sportgeschäft in der stadt hat 10 minuten nach 9 uhr immer noch nicht auf.
ich frage jemanden nach einem anderen. das sei im banlieue (vorort), 2 – 3 km von hier, aber leicht zu finden, immer gerade aus. ich gehe, aber das geschäft kommt nicht. ich frage eine junge mutter. ein ordentliches stück zurück müsse ich, dann zweimal nach links – das hört sich weit an, aber ich brauche handschuhe. also laufe ich los – bis hinter mir eine frauenstimme ruft: ‚monsieur, des gants?‘ als ich mich umdrehe, steht ein auto auf dem gehweg und die junge mutter von vorher hält mir die tür auf. und dann fährt mich die junge familie direkt vor das geschäft. ich steige aus, nicht ohne dass der junge vater mir noch den weg in die innenstadt zeigt.
und heute habe ich glück mit dem anruf-beantworter – ich werde zurückgerufen und kann übernachtung und verpflegung am telefon klarmachen (die zweite hälfte in englisch). am ziel angekommen, stellt sich dann heraus, dass ich den berg hoch muss zur burg hinauf.
ich werde oben schon erwartet und bekomme in den gemächern ein 6-bett-zimmer. hier stimmt alles: dicke steinwände, hohe balkendecke, dicke holztüre, nur die heizung und das licht sind elektrifiziert. dafür ist der speisesaal und das bad nur über den burghof zu erreichen. das essen bekomme ich dafür per liefer-service gebracht.
ab fünf uhr bin ich der einzige bewohner dieses ehrwürdigen alten gebäudes hoch über der stadt. leider – denn nun muss ich alles ohne diener u. a. hilfspersonal alleine machen. aber für einige stunden habe ich die schlüssel-gewalt über die prieuré (hier hatte der vertreter des abtes dessen aufgaben gegenüber der bevölkerung zu übernehmen).
nebel ist üblich seit einiger zeit. den ganzen tag über laufe ich im nebel, der mal dichter ist und mal weiter sehen lässt. mal sehe ich kaum 50 m weit. aber ich mache ja keine sightseeing- tour, sondern einen winter-pilger-weg.
diese nacht war ich auf ca. 1000 m höhe. das wird mir deutlich, als ich vor die herberge trete. die stufen vor der haustür sind etwas rutschig. auf der strasse wurde wohl gestreut, aber der (asphaltierte) weg in den wald nicht. da war nur auf dem seitenstreifen mit gras ein sicheres vorwärtskommen möglich. das heisst aber auch, dass steine und wurzeln auch rutschig sind. das wird was geben! so komme ich deutlich langsamer vorwärts als sonst. in einem kleinen weiler, durch den ich komme, sind alle strassen total vereist.
einen vorteil allerdings hat der frost: der schlamm ist hart! und zusammen mit dem nebel ist die natur wundervoll anzusehen.
mein weg führt mich heute zum glück den tag über mit wenigen ausnahmen abwärts. so kann ich temperaturen unter null und nebel hinter bzw. über mir lassen.
dafür hat der weg herausforderungen der anderen art für mich bereit. die wegführung ist wieder etwas verworren, so dass auch die wanderkarte wieder passen muss. und die zeichen-setzung an den kreuzungen lässt zu wünschen übrig. immer wieder brauche ich mein GPS.
daher ist es schön, wenn ich jemanden treffe, den ich fragen kann. das jugendliche paar in einem dorf lernt zuerst einmal, das durch ihren ort ein jakobsweg geht und diejenigen, die darauf wandern, pilger sind. der junge mann fragt, ob ich auf der strasse schlafe. nun wissen sie, dass es für pilger herbergen gibt. das schöne ist: die beiden begleiten mich zu der stelle, wo der kleine weg im dorf abgeht. etwas sinnvolles gelernt und eine gute tat vollbracht (sagt der lehrer und pfadfinder).
am abend wird mir die hoffnung auf ein bett in der monastère genommen (zweimal habe ich angerufen und nur den anrufbeanworter angetroffen, dann habe ich mich auf pilger-aussagen verlassen.) geschlossen für immer. der heutige weg war anstrengend, ich bin fertig – sagt mir ein bett in der stadt, egal wo. und es gibt eines: die mitarbeiterin in der bücherei der monastère nimmt mich bei ihr auf. sie hat ein kleines zimmer im keller, da kann ich schlafen. und ein abendessen mit etwas unterhaltung sowie ein frühstück gibt es dazu. das ist der jakobsweg!
nicht nur der weg will gefunden sein – die suche nach dem schlafplatz und der mahlzeit ist auch manchmal diffizil. wenn bei meinem anruf ’nur‘ der anruf-beantworter sich meldet, kann ich dem zwar meine wünsche sagen, aber ich weiss nicht ob sie in erfüllung gehen.
so komme ich auch heute mittag in einem örtchen an und suche nach infos. da die post mir über den weg stolpert, frage ich dort nach dem centre d’accueil permanent. das sei zu, meint die madame, ob ich eine übernachtung brauche. ich nenne ihr den ort und sie greift zum telefonbuch und sucht nach einer nummer. da nur der AB dran ist, ruft sie bei der mairie an und reserviert ein bett in der kommunalen gite. sie gibt meine telefon-nummer durch, damit der zuständige monsieur mich anrufen kann, wenn er da ist. ich erhalte seine nummer. so ist das bett heute abend sicher – dank der freundlichen und hilfsbereiten madame de la poste.
im zielort angekommen, steuere ich die herberge an. beim zuständigen monsieur (erstes haus rechts nach brunnen und bushaltestelle) kann der schlüssel geholt werden. ich klingele, aber es rührt sich nichts. in der mairie brennt noch licht – also nichts wie hin. man scheint auf mich gewartet zu haben. sie wissen bescheid und es kommt jemand mit mir zur gite und schliesst mir auf. meine frage nach dem abendessen wird negativ beantwortet: heute abend sei das restaurant zu, morgen zum frühstück sei wieder geöffnet.
doch was esse ich heute abend? apfel-schokolade-kekse? ein zweiter monsieur, der gerade gekommen ist, verschwindet wieder. nach zehn minuten ist er wieder hier mit je einer dose ravioli und sardinen, einem joghurt und einem stück baguette. viola! geld will er nicht sehen, ein herzliches ‚merci beaucoup‘ reicht ihm. das abendessen ist gerettet!
zu guter letzt kommt im laufe des abends auch der für die gite zuständige herr an und entschuldigt sich, dass er den ganzen tag unterwegs war. ob alles okay wäre und ich noch etwas bräuchte. ich konnte ihm mein grosses dankeschön nochmals sagen für die hilfsbereite kooperation. wann ich morgen los wolle? um halb acht sei das restaurant sicher noch nicht offen. – das baguette hob ich mir also zum frühstück auf. meine enkelin lea hat es da etwas einfacher! aber sie ist ja auch noch einiges jünger!
viele wege führen nach rom – doch ich will nur nach apinac. ich bin früh dran, weil renate mit dem zug bereits 7:17 uhr zurück fährt.
der weg führt, so mein neuer wander-guide, im prinzip immer nach norden. im ort geht es noch etwas hin und her, aber dann. so weit so gut. wieder mal heissen die zeichen mich nach links zu wenden. darauf folgt ein schöner rechtsbogen. nur dann weist das nächste zeichen wieder nach links und der weg geht rein in den wald. stimmt das? die zeichen sind noch da und der GR 3 damit auch – das ist mein weg. aber er führt mich eher nach nordwesten. und das kann nicht sein! wieder mal zurück auf start?
ich bin mir sicher, dass dies der weg nach apinac ist. aber zu lange dauert es, bis dieser weg mich in nordöstliche richtung führt. ich habe genug von natur (zumal ich nur knappe 50 m weit sehen kann, so neblig ist es), ich sehne mich nach einem ort oder wenigstens nach einer strasse. endlich höre ich autos und kurz darauf kann ich schemenhaft häuser erkennen. schliesslich stehe ich vor einem ortsschild. mein orientierungssinn hat mich nicht betrogen. statt die einfache hypothenuse der karte haben mich die zeichen die kathete dieses wege-dreiecks gehen lassen. jetzt kommt der winkel und es geht wieder ganz langsam richtung meinem kürzerem kartenweg. zu langsam!
ich suche eine kürzere strecke. da dieser abschnitt nicht mehr auf der schmalen karte ist, ziehe ich meine digitale frankreich-karte und mein GPS zu rate. und tatsächlich sehe ich wo ich stehe, beobachte ich wo ich gehe und kann mein ziel anvisieren. faszinierend! es ist zwar eine strasse, aber rasch bin ich wieder auf meinem wunsch-weg.
die freude wird getrübt, als ich den blick auf die uhr werfe. apinac ist bei helligkeit nicht mehr erreichbar. das verschiebe ich auf morgen und nehme mir vor in zukunft im zweifelsfalle mehr meiner wanderkarte (und ggf. meiner digitalen) zu glauben als den wanderzeichen. ergebnis des tages: eine kürzere wegstrecke und dafür eine gute erfahrung mehr.
es gibt in erreichbarer tagesetappen-entfernung keinen bahnhof. renate hat gestern aus dem stand heraus 20 km wandern auf ihre beine gestellt. heute ist sonntag. daher legen wir hier in retournac eine pause ein. kein wecker klingelt, das frühstück ist relativ gemütlich und reichhaltig, ein kleiner spaziergang im bzw. ums dorf, ein besuch im klöppel-museum der stadt, ein feines menü in einer netten kneipe, und was so alles zu einem gemütlichen sonntäglichen ruhetag passt. wir haben diesen tag genossen!
17 km
montbrison – montverdun
28 km
montarcher – montbrison
die wanderschuhe sind heute doppelt geschnürt. renate und ich gehen eine tages-etappe gemeinsam.
fast so verrückt wie die digitale welt (in sekundenschnelle weiss die ganze welt von wo nach wohin ich gelaufen bin) ist die heutige mobile welt. innerhalb weniger stunden ist renate von hohenlohe in die kegel-landschaft der auvergne gefahren. und heute sind wir weiter durch eine wunderschöne landschaft gegangen, die zu den wirtschaftlichen problemgebieten frankreichs gehörte. (aber hier hat einmal der hiesige fürst vercingetorix die gallier in den freiheitskampf gegen caesar geführt.) auch die heutigen gallier hier sind sehr hilfsbereit. ein netter älterer von ihnen hat uns eine kleine abkürzung gezeigt.
vermutlich war ihm klar, dass für meine ehefrau jede für mich kalorien-sparende massnahme wichtig ist. daher hat sie auch gleich hohenloher brezeln und einen kuchen mitgebracht. ausserdem bestand sie darauf, dass es zweimal am tag ein ordentliches essen gibt. mein körperlicher eindruck auf sie beförderte die anregung zu höherer kalorien-zufuhr. vor allem meine hals-region haben ihr anlass zu mehr mästung gegeben.
25 km
valprivas – montarcher