gemeinsamer ruhetag

es gibt in erreichbarer tagesetappen-entfernung keinen bahnhof. renate hat gestern aus dem stand heraus 20 km wandern auf ihre beine gestellt. heute ist sonntag. daher legen wir hier in retournac eine pause ein. kein wecker klingelt, das frühstück ist relativ gemütlich und reichhaltig, ein kleiner spaziergang im bzw. ums dorf, ein besuch im klöppel-museum der stadt, ein feines menü in einer netten kneipe, und was so alles zu einem gemütlichen sonntäglichen ruhetag passt. wir haben diesen tag genossen!

gemeinsames gehen

die wanderschuhe sind heute doppelt geschnürt. renate und ich gehen eine tages-etappe gemeinsam.

fast so verrückt wie die digitale welt (in sekundenschnelle weiss die ganze welt von wo nach wohin ich gelaufen bin) ist die heutige mobile welt. innerhalb weniger stunden ist renate von hohenlohe in die kegel-landschaft der auvergne gefahren. und heute sind wir weiter durch eine wunderschöne landschaft gegangen, die zu den wirtschaftlichen problemgebieten frankreichs gehörte. (aber hier hat einmal der hiesige fürst vercingetorix die gallier in den freiheitskampf gegen caesar geführt.) auch die heutigen gallier hier sind sehr hilfsbereit. ein netter älterer von ihnen hat uns eine kleine abkürzung gezeigt.

vermutlich war ihm klar, dass für meine ehefrau jede für mich kalorien-sparende massnahme wichtig ist. daher hat sie auch gleich hohenloher brezeln und einen kuchen mitgebracht. ausserdem bestand sie darauf, dass es zweimal am tag ein ordentliches essen gibt. mein körperlicher eindruck auf sie beförderte die anregung   zu höherer kalorien-zufuhr. vor allem meine hals-region haben ihr anlass zu mehr mästung gegeben.

 

le puy, zum dritten

vor 10 jahren waren wir mit dem fahrrad hier. vorgestern war ich alleine zu fuss hier. heute waren wir mit dem zug hier – in le puy.

alte erinnerungen und neue sicht haben sich nicht gedeckt. irgendwie ist le puy sehr viel grösser geworden. auch das restaurant, in dem wir wunderbare le puy-linsen gegessen haben, fanden wir nicht mehr. das lag nicht nur am regen. und immer noch genauso eindrucksvoll ist der blick von der kathedrale in die stadt. wie viele pilgerinnen sind wohl hier gestanden…

 

ich bekomme besuch!

heute wird wieder gelaufen! nach dem stadt-lauf-und-info-samnel-tag brauche ich wieder einen ganz normalen alltags-lauf-tag.

le puy verabschiedet sich von mir mit imposanten ansichten einer historischen stadt im nebel. die nebelschwaden verdecken mal nur einzelne strassen und häuser, mal ganze stadtteile. alle paar minuten wechselt die szenerie. am schönsten ist es, wenn aus dem nebeltal nur st. michael und notre-dame-de-france auf ihren felsen heraus schauen. und dazu ein sonnenaufgang zwischen wolkenbergen.

das wird ein schöner tag werden. das wetter macht mit, die strecke ist im ersten teil sehr interessant von der landschaft und im  zweiten teil sehr  gemütlich. so von ich deutlich früher als gedacht am ziel angelangt: ein kleines hotel in einem städtchen an der noch jungen loire: vorey-sur-arzon.

hier kommt dann spät abends um 11 uhr renate mit dem zug an! ein schöner tag mit einem noch schöneren abend!

schalt-tag

le puy ist eine zäsur auf dem jakobsweg – egal ob hin oder zurück. wo vorher pilgerinnen wie in einem spinnennetz aus allen richtungen  europas auf kleinen wegen einzeln gingen – hier in le puy wussten sie, das ist jetzt DER WEG nach santiago de compostela. der weg, dem alle folgten.

auch für mich ist le puy eine besonderer ort. ab jetzt muss ich mir im netz der jakobswege den heraussuchen, der mich in die heimat führt. und weil ich mich weiter in der nebensaison befinde, wird es nicht einfacher ein (preisgünstiges) bett zu finden. daher habe ich mir vorgenommen, in aller ruhe in dieser stadt nach informationen zu meinem nächsten abschnitt le puy – cluny zu suchen.

da ist einmal der weg. bisher war (in frankreich) der hauptweg gleichzeitig der GR 65 und damit gut gekennzeichnet. ab morgen weiss ich nicht, ob mein weiterer weg genauso oder überhaupt  markiert ist. in bezug auf die bettenfrage habe ich ein paar infos, denen ich nachgehen kann.

erstes ziel ist das office de tourisme. die können mir schon mal einen stadtplan geben. und sie verweisen mich auf das croisée des chemins zwei ecken weiter. darin finden sich viel literatur, pilgerführer und wanderkarten zu verschiedensten jakobswegen. hier bekomme ich ein betten-verzeichnis der region. weitere erhielte ich in den touristenbüros der orte der folgenden region. auf meine frage nach der association des pèlerins par les amis de saint jacques bekomme ich die markierung einer strasse bei der kathedrale. dort angekommen lese ich an der tür, dass ab november geschlossen ist. da hier in der nähe auch das pilgerbüro irgendwo ist, suche ich weiter. beim café des pèlerins (auch im winter-halbjahr geschlossen) kommt zufällig jemand heraus, den ich gleich anquatsche. non, fermé, aber das office de tourisme könne weiter helfen. grandios!

ich mache eine buchhandlungs-runde. in einer ersten, die mir gerade über den weg läuft, finde ich nichts über die strecke cluny-le puy. ich frage nach einer weiteren und dort werde ich fündig. renate hat mir vor einigen tagen aus ihrer internet-recherche eine neuauflage durchgegeben. dieses buch finde ich hier. der sogleich von mir erstandene ist zwar nicht neu, aber er hat sehr gute wanderkarten. die wegbeschreibung ist auf französisch, aber für mich ist sie soundso verkehrt herum.

nun finde ich den weg nach cluny und betten für die nächsten paar tage. aber es ist frustrierend mit derart viel neben-lauferei so wenig handfestes zu haben. und ich merke, dass das nicht spurlos an mir vorbei geht. zum glück kommt übers wochenende renate! den zeitpunkt haben wir wunderbar bewerkstelligen können! (ich habe mir sagen lassen, auf dem camino sei nichts zufällig.)

ende der via podiensis

wieder geht heute ein grosser abschnitt meines zurück-camino zu ende. mit den pyrenäen habe ich in spanien den camino frances beendet. hier in le puy-en-velay beende ich die via podiensis, den französischen jakobsweg.

sie bzw. er hat sich von mir mit einem weinenden und einem lachenden auge verabschiedet. heute morgen hat es immer heftiger geregnet, so dass ich mein grosses cape heraus gekramt habe. im laufe des mittags besserte sich das wetter, es regnete nicht mehr und manchmal kam ganz kurz die sonne zum vorschein. das gehen lief flott, früher als angenommen habe ich die letzten kilometer vor le puy angegangen.

das war ein gefühl! über die letzte kuppe gehen und die häuser von le puy zu sehen und kurz darauf die statue notre-dame-de-france zu erblicken. die stadt, in der sich jahrhundertelang die pilgerinnen aus halb europa sammelten um den traditions-reichen camino, den chemin, den weg aller wege zu gehen. nun habe ich die stadt erreicht, in der wir – renate und ich – am 5. august 2004 unseren pilger-pass (le carnet de pelerin) erhielten. damals waren wir mit dem fahrrad hierher gekommen – aus der anderen richtung. und als ich heute nach dem abendessen im dunkeln die stufen der grossen treppe zur hell erleuchteten kathedrale hoch stieg, war es wieder dieses ganz erhebende gefühl, das ich so oft schon auf diesem weg – hin und zurück – erleben durfte.

 

 

 

 

hunde und esel

… haben im grunde genommen nichts miteinander zu tun. es ist äpfel mit birnen verglichen. in den letzten 2 – 3 wochen habe ich mit beiden tierarten meine erfahrungen machen können.

vor allem in den letzten tagen habe ich sehr eindrückliche erlebnisse mit hunden gehabt. oftmals sitzen sie am hoftor und scheinen von meinem vorbei-laufen keine notiz zu nehmen. es gibt auch einige, die mich lautstark ankündigen (und für mein gutes gefühl ein zaun sich zwischen uns befindet).

dann aber bin ich einigen begegnet, die wohl der ansicht waren, die öffentliche strasse vor dem grundstück gehöre zu ihrem revier. nicht dass sie nur bellend mir entgegen oder hinterher gerannt wären. nein – sie kamen mir so bedrohlich nahe, dass ich froh war einen stock zu besitzen. und ich bin felsenfest davon überzeugt, dass sie nicht nur spielen wollten. sie brachten mich so weit, dass ich mich gezwungen sah meinen wanderstab als schlagstock zu nutzen. noch habe ich keinen mit meiner verlängerten harten hand getroffen. ich würde jedoch nicht davor zurück schrecken gewalt anzuwenden, bevor mir so einer ans bein geht. zwischenzeitlich kann ich schnell vom wanderstock- zum schlagstock-griff wechseln.

auf der anderen seite die esel. so viele esel wie in den  letzten tagen und wochen habe ich noch nie gesehen. es vergeht kaum ein tag, an dem nicht auf irgendeiner weide eine oder auch mehr grasen oder im stehen dösen. kaum hören sie etwas, so drehen sie ihre grossen lauscher in alle richtungen. sie stehen und hören. bisweilen dreht auch mal eine den kopf zu mir um auch zu sehen. erst wenn ich stehen bleibe und rufe oder locke, kommt der esel vielleicht zu mir.  wie bedächtig sie dann heran traben.

die tiere machen mich neugierig. warum gelten sie als störrisch und eigen-sinnig? auf dem camino sind sie beliebt als ‚pack-esel‘, sie tragen das gepäck der pilgerin und des pilgers. sie sind genügsam und finden überall futter. in aumont-aubrac gibt es sogar ein esel-museum, leider ist es zu der zeit geschlossen gewesen.

die hunde-freunde mögen mir meine sehr subjektive (vielleicht auch einseitige) sicht verzeihen. aber aufgrund meiner weg-erfahrungen bin ich lieber ein dummer esel als ein dummer hund.

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privat-übernachtung

wieder einmal hatte ich bei den gites kein glück – alles geschlossen. ich reserviere in einem hotel, in dem ich nicht vor vier uhr sein kann. weil ich noch zeit habe, schlendere ich durch den ort. da hält ein auto neben mir und der fahrer fragt ob ich eine gite suche und ob ich bei ihm ‚gratuit‘ übernachten wolle.

also fahren wir zu seiner wohnung, wo er mir mein zimmer sowie bad und toilette zeigt. es ist alles etwas älter und die toilette nicht ganz so sauber wie ich es mir gewünscht hätte. trotz einem kleinen zweifel bleibe ich. bei einer tasse kaffee erzählt gérard, dass er wegen dem rauchen starke kopfschmerzen habe und immer müde sei. als ich ihm von meinem camino erzähle, meinte er, er führe jedes jahr nach lourdes.

er zeigt mir (mit dem auto), wo ich abendessen und frühstücken kann, auch wo der camino aus dem ort heraus führt. schliesslich zeigt er mir den pferdestall seiner nichte. während er bei seiner mutter vorbei schaut, die im ort wohnt, gehe ich zum abendessen. nachdem ich wieder bei gérard zuhause ankomme, treffe ich ihn sehr niedergeschlagen an. ich weiss nicht, ob ich alles richtig verstehe, was er erzählt – er bemüht sich sehr langsam und einfach zu sprechen – weiss ich nicht. unter anderem zeigt er mir einen rosenkranz und fragt, ob ich mit ihm wegen seiner schmerzen beten wolle. nach einer runde beenden wir und (glücklicherweise?!) ruft renate an. das ist für mich ein grund den weg in zimmer und bett zu nehmen.

noch einige zeit geht mir gérard durch kopf und herz. ich bin – so glaube ich – seiner ‚masche‘ gefolgt und ich glaube es war auch gut so. eigentlich ist er ein armer tropf, aber vielleicht habe ich ihm – sicher nicht als erster – ein paar stunden lang etwas gutes tun können.

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micha hat  meine bisherige route aufgezeichnet. sein ergebnis zeigt anschaulich meinen weg bis heute. dank dir (und gute genesung).

 

 

schnelle entscheidungen

aufgrund der örtlichen verhältnisse war die heutige und morgige streckenplanung etwas komplizierter: um einen schlafplatz zu bekommen, sind 15 km heute und 33 km(!) morgen angesagt. dazwischen sind entweder keine domizile oder nur geschlossene. das risiko, im regen zu gehen steigt morgen deutlich an. IMG_20141123_103839

also gehe ich gemütlich los, denn ich habe ja heute zeit, weil ich nur nach saint-alban will. nun treffe ich kurz vor dem etappenziel pierre, der mir entgegen kommt. und in diesen tagen spricht man auf dem chemin auch über unzureichende oder zu erreichende schlafplätze. pierre hat da übernachtet, wo es eigentlich geschlossen ist. es gäbe in le sauvage nur kein abendessen. sie haben aber eine küche und zwei eier oder so wären immer möglich.

dies eröffnet gute möglichkeiten: heute noch 12 km und morgen dafür nur gute 20 km. also – es ist gerade kurz nach 12 uhr – zuerst mal noch die paar kilometer bis in den ort und noch lebensmittel einkaufen, vor allem brot. es geht bergauf und im ort angekommen, sind alle läden in der mittagspause, wiedereröffnung 14.30 uhr. das ging mal knapp daneben – also doch hier bleiben und die angepeilte übernachtung nehmen? ich rufe zuerst mal in le sauvage an, um das potentielle bett anzufragen. nur der anrufbeantworter hebt ab, und dem teile ich meine wünsche mit. richtig weiter bin ich da jedoch nicht.

da eine warme mahlzeit (egal wo geschlafen wird) nicht schaden kann, esse ich in der kneipe ums eck. und während ich esse kommt die nachricht, ‚ok pour dormir‘. glücklicherweise bekommt man in frankreich baguette zum essen. die entscheidung fällt! das brot halte ich nun zurück und nehme es mit. notproviant aller art habe ich im rucksack. und morgen keine 33 km mehr.

noch kurz die anvisierte übernachtung abgesagt und anschliessend läuft die zweite etappe des tages etwas zügiger ab. ein pläuschchen mit einer pilgerin, die mir entgegen kommt, muss trotzdem sein. von ihr erfahre ich, dass mitarbeiterinnen in der touristikbranche am besten über winter den jakobsweg machen, wenn es am stück sein soll.

schliesslich bin ich am späteren tagesziel angekommen. ob ich etwas zu essen brauche – die auswahl ist gering. ich nehme zwei eier und ein stück brot. dann bekomme ich mein bett ohne frühstück. und zum krönenden abschluss des tages gibt es ein echtes ‚pilger‘-menü:

entrée: angeschmolzener emmentaler auf baguette

plat du jour: rührei mit baguette

dessert: vollmilch-nuss-schokolade (eine tafel)

dazu gänsewein ‚aubrac‘ jahrgang 2014

einige zeit später liegt ein warmer schlafsack in einem bett bereit.

und natürlich die aussicht auf einen gemütliche(re)n morgigen tag inkl. ordentlicher mahlzeit – mit oder ohne regen! IMG_20141123_124230

auf dem aubrac

richtig schön hat der tag angefangen sonnenschein! dann sind wolken aufgezogen. ich dachte noch, der nebel aus den tälern geht heute hoch. aber bald war klar, das kommt nicht nur von unten. und im laufe des vormittags ist der blaue himmel von den zum greifen nahen wolken verschluckt gewesen. nebel breitete sich aus und wind kam auf. es entstand eine atmosphäre, die typisch ist für den aubrac. lange steinmauern, die hinten im nebel verschwinden, grosse und ganz grosse steine, verteilt wie verstreute grosse perlen, kühe mit ihrem groben fell und den lang nach der seite ausgreifenden hörnern. und dazwischen geht der pilger ganz allein seines weges.

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nicht ganz allein! da kommen mir drei wanderer entgegen. pilger? nein, nur einer hat einen rucksack. in dem kurzen gespräch heisst es dann: ’siehst du da vorne das haus? da gibt es einen kaffee! 100 m weg vom weg, du kannst es nicht verfehlen.‘ und da hat der ältere der drei bereits dort angerufen und vom zurück gehenden pilger erzählt und einen kaffee bestellt. die stube warm, der kaffee gut und das gespräch ging mit anderen auf englisch weiter. und danach ein dankbarer pilger auch auf seinem weg. hospitalité française sur le camino.

winteranfang

ich bin oben – heute habe ich den aufstieg in den aubrac hinter mich gebracht. aubrac, das alte kloster- und hospiz-örtchen, liegt in ca. 1300 m höhe. hier war mein persönlicher winteranfang. für einige kilometer hatte ich zum teil ordentlich schnee auf dem weg. wenn kein schnee lag, dann war es feucht und nass. bei nebel hätte ich hier nicht laufen wollen. heute aber schien den ganzen tag über die sonne. durch die lage der offenen herbergen war heute eine kurze strecke vorgegeben. ich konnte mir zeit lassen und verweilen, hören, schauen und fotografieren.

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übrigens: schon ein paar kilometer gehe ich hinter der mitte meines weges! ich habe die hälfte hinter mir – geschafft! in den letzten tagen haben mich, wenn ich auf der strasse gelaufen bin, diese spuren-markierungen begleitet:

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sie gehen in die andere richtung. nur – welche merkmale sind nicht mehr der heutigen zeit angemessen?

der aubrac

da oben liegt schnee – mehrfach habe ich jetzt diese info bekommen, wenn ich erzählt habe, dass ich da rüber will. der aubrac bei schnee, nebel und kälte ist heikel – wenn man zeichen und weg nicht erkennt, kann man sich schnell verlaufen. immerhin befindet man sich dort auf über 1300 m höhe.

die letzten regen-tage habe ich im oder etwas über dem lot-tal erlebt. ab heute ging und geht es aufwärts. und heute habe ich schönstes sonnen-wetter gehabt. nach den letzten tagen hat heute das vorwärts kommen und vor allem das schauen und entdecken sehr grosse freude gemacht! da wird sogar ein ungewollter umweg über die höhe zum ungeahnten panoramablick. so schön können um-höhen-wege sein!

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und es geht wohl regen- bzw. schneefrei weiter. morgen geht es noch einmal hoch. dann habe ich die höhe fürs erste erreicht und gehe auf der hochfläche weiter.

 

gehen im regen

so liefen die letzten tage ab:

losgehen – es regnet

ich gehe – es regnet mehr

cape überziehen

ich gehe – es regnet weniger

ich gehe bergauf

cape ausziehen

ich gehe mit cape in der hand

es regnet mehr – cape überziehen

ich gehe – es geht bergauf

ich schwitze

ich gehe – es regnet nicht

cape ausziehen

ich gehe – es regnet viel

cape überziehen

ich gehe

ich kauf ein und trink einen kaffee

es regnet nicht – ich gehe weiter (ohne cape)

es regnet nicht

es tröpfelt – cape überziehen?

ich gehe – es regnet mehr

cape überziehen

es geht bergauf

ich gehe – es windet

es regnet nicht mehr – cape ausziehen

es windet – cape überziehen?

es regnet heftig – cape überziehen

ich gehe – es geht bergab

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es geht bergab

es regnet mehr

ich gehe – es regnet weniger

ich gehe – die sonne blitzt heraus

cape ausziehen?

ich gehe – es regnet richtig

ich gehe – es regnet nicht mehr

cape ausziehen

ich gehe – die sonne kommt heraus

ich gehe

ich mache pause und vespere

die sonne ist noch da – pulli ausziehen

ich gehe

ich bin kurz vor dem ziel

es nieselt – cape überziehen?

nein! – ich gehe schnell

ich gehe schneller

ich bin da!!

conques

gestern bin ich in conques angekommen. in einem tal, das nur schwer zugänglich ist, liegt die abtei der prämonstratenser. am nachmittag kam ich bei kräftigem regen den sehr steilen und steinigen pfad in das mittelalterliche klosterdorf hinab. nebelschwaden zogen vom tal des lot nach oben. ich kam mir vor wie im film ’name der rose‘.

in der abtei angekommen, freuten sich die frères sehr darüber einen pilger namens norbert beherbergen zu können. der heilige norbert ist der begründer des prämonstratenser-ordens.

beim nachtgebet der kirche – dem komplet – war ich dabei. fünf frères singen in dieser grandiosen romanischen kathedrale mehrstimmig – eine faszinierende atmosphäre. der bibeltext aus der apokalypse des johannes wurde erst in französisch von einem frère und dann in deutsch von mir vorgetragen. das musste ich erst mal realisieren: ich trage in dieser ehrwürdigen und berühmten kirche mitten in frankreich einen bibeltext vor! und anschliessend bekomme ich ganz exklusiv einen (fast) individuellen pilgersegen. zum ausklang höre ich in der fast dunklen kirche noch dem orgelspiel zu.

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meine kolleginnen und kollegen

meine kolleginnen und kollegen der brüder-grimm-schule haben ab morgen die nächsten 11 tage gewählt. an dieser stelle ein ganz herzliches dankeschön für euren beitrag zu ‚meinem‘ projekt.

da dies ja auch mein weg in den ruhestand ist, möchte ich diese beiden dinge miteinander verbinden. ich möchte mir für jeden tag eine/n wählen, die/der für diesen tag mein weg-begleiter sein wird. ich möchte meine zeit mit ihr/ihm mir noch einmal anschauen, nach-denken, nach-spüren und auf diese guten zeiten dankbar zurück-schauen.

ehrenrunde…

französische städte sind nicht besser als spanische. es gibt auch hier probleme beim rein finden und beim raus gehen. hinzu kommen (zeitweilige) unzulänglichkeiten oder nachlässigkeiten der pilgerin – hier des pilgers.

von figeac aus auf den camino rückwärts. ein blick auf den stadtplan, den ich gestern bekommen habe, zwei straßennamen gemerkt und los gehts! zeichen sind da, also denen nach. eigentlich sollte es steil bergauf gehen, momentan steigt es eigentlich sehr gemütlich an – da vorne wirds schon steiler. die richtigen (!) zeichen werden weniger, irgendwann gibt es nur noch ausgebleichte älteren datums. die verwunderung weicht dem zweifel.  da kommen die einheimischen gerade richtig. und sie erklären mir frank und frei, dass die die falsche richtung und die einzige möglichkeit der weg zurück nach figeac sei. vier kilometer sei er schon ausserhalb. puuhh! das haut den stärksten pilger um. dnr regen nimmt man da nicht mehr wahr.

also 4 km retour auf start und mit 8 km mehr noch einmal beginnen. die eigene karte nochmal richtig angeschaut, und schon sind die gleichen zeichen auf einem sehr steilen, aber richtigen weg da. oben angekommen scheitert der versuch eine näher liegende herberge zu reservieren. den stärker werdenden regen nehme ich jetzt schon sehr deutlich wahr im wissen, dass nicht nur die 8 vorher, sondern noch weitere 6 km dazu kommen.

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aber alles hat seinen sinn… ich lande des abends in einer (eigentlich geschlossenen) herberge und treffe dort einen französischen pilger. in englisch unterhielten wir uns über sehr tiefsinnige, fast philosophische erkenntnisse des zurück-caminos (auch er stellt sich als rückwärts-pilger heraus), wie menschen sich verändern können und was erziehung  bewirkt. die krönung des abends ist dann ein kleines jazz-konzert in einer benachbarten bar. da vergesse ich doch glatt die acht umsonst-kilometer.

herbergssuche

das bett, das ich heute verlassen habe, das habe ich – wie alle  bisher – irgendwann um die mittagszeit telefonisch reserviert. „bonjour, ici est n.g., un pelerin allemand. je voudrais réserver un lit pour ce soir…“ – in der hoffnung zu verstehen, was die französin am anderen ende der leitung antwortet. schlüsselwörter sind fermé bzw. ouvert und complet bzw. d’accord oder bien sûr.

heute habe ich wieder mehrfach mein sprüchlein aufgesagt und nur ansahen bekommen. da eine stadt mein ziel war, bin ich mal drauf los gelaufen und habe das touristenbüro anvisiert. dort habe ich echte pilger-hilfe bekommen. die dame hat gleich versucht telefonisch zu reservieren, aber niemanden erreicht. schliesslich kennzeichnete sie mir die zwei herbergen im stadtplan und zur sicherheit noch zwei günstige hotels dazu. die erste herberge war an der angezeichneten stelle (für mich) nicht auffindbar. bei der zweiten sah ich, dass ich da angerufen und ein fermée bekommen hatte. ich klingelte also ganz erwartungsvoll. den herrn, der oben unterm dach aus dem fenster schaute, fragte ich nach einer schlafmöglichkeit. kurz darauf öffnete sich die haustür und kurze zeit später hatte ich ein bett sicher.

 

bettwanzen

in manchen herbergen bzw. chambre d’hôtes in frankreich sieht die pilgerin hefter mit gefüllten klarsichthüllen liegen. titel: punaises – bettwanzen. von der historie über biologische infos bis hin zu zeitungsausschnitten und gegen- bzw. hilfsmassnahmen sind darin enthalten. sie sind gefürchtet bei pilgerinnen und herbergsbetreiberinnen. sie sind tückisch und aus menschlicher sicht nahezu hinterhältig. denn sie sind sehr  lichtscheu und überlebenstüchtig. wenn sie sich in einem herbergsbett eingenistet haben, hilft oft nur noch die chemische keule. legt sich eine pilgerin in ein ‚infiziertes‘ bett, dann muss sie damit rechnen, dass des nachts die tierchen auf nahrungssuche sie mehrfach anpieksen. das sieht (aufgereihten) schnakenstichen ähnlich, juckt aber heftiger und länger. zwar gibt es einiges dagegen, aber eine ‚behandlung‘ ist einfach lästig.

daher haben die herbergen zu den unterschiedlichsten massnahmen gegriffen. erstes gebot: keinen rucksack auf ein bett! weil das nicht so gut kontrolliert werden kann, gilt oftmals die strikte trennung von rucksack und schlafraum. die pilgerin erhält des ein körbchen oder eine tasche, worin sie ihre 7-schlaf-sachen in den schlafraum mitnehmen kann – der rucksack bleibt im eingangsbereich, im keller oder sonst einem raum. letztlich ist es so, das der ‚gepiekste‘ der leid tragende ist, aber beim vor/vorgänger das eigentliche problem lag.

ein ganz normaler tag

mein tag beginnt – wer hätte das gedacht (ich selbst am wenigsten!) – indem mich mein wecker eine gute halbe stunde vor dem sonnenaufgang leise aus dem schlaf brummt. seitdem in hoch-zeiten des camino-pilgerns regelmässig handys die grossen und kleinen schlafräume weckten, ist das meine abends grundsätzlich auf brummen (vibrieren) gestellt. es kommt aber öfters vor, dass ich vor meinem brummer schon wach bin. aufstehen, toilette und bad folgen. auf nüchternen magen wird der rucksack gepackt. nach dem verlassen der schlafstätte geht es richtung frühstückstisch. immer gut gestärkt (es ist eigentlich immer nur eine frage des was) ist es dann ein leichtes sich den rucksack aufzuerlegen. je nach dem wie freundschaftlich und herzlich der gemeinsame abend war, ist dann auch der abschied… (heute morgen zum beispiel war er mit ‚meiner‘ soeur andrée sehr herzlich und fröhlich.

nun folgt das eigentliche tagwerk: gehen. und schauen, wo welche weg-zeichen sind. dazwischen sinniere ich über die menschen, die ich getroffen habe, spüre den situationen nach und freue mich über die schönen augenblicke. ich lasse gedanken und gefühle kommen und gehen. und dann fällt mir ein, dass ich ja auch noch schauen sollte, ob ich mich noch auf dem rechten weg befinde. ich halte sehnsüchtig ausschau nach dem nächsten zeichen und bin froh, wenn eines auftaucht (und sei es auch nur das gekreuzte ‚verbotener weg‘). die freude ist gross, wenn – wie heute morgen – auf dem weg ein café auftaucht – und sei es auch nur ein kleiner laden, in dem eine kaffeemaschine steht. dann ist zeit für ein zweites frühstück.

was danach folgt ist klar: rucksack auf und weiter gehts. je nach wegbeschaffenheit langsamer oder zügiger, und auf asphalt gezügelter. am schönsten sind die trampelpfade durch die wälder. da lerne oder wiederhole ich dann auch französische vokabeln. die wichtigen notiere ich mir zwischendurch in einem hosentaschen-blöckchen im format DIN-A-7. und schliesslich stimme ich zwischendurch auch ein liedchen an.

heute habe ich gerade noch so wirklich 5 vor 12 noch meine ehrwürdigen ausgegangen schuhe auf die post gebracht. zuhause sollen sie einen ehrenplatz wie auch immer bekommen. damit meine neuen sich nicht zu sehr an den füssen reiben, habe ich auch noch blasenpflaster eingekauft. letztendlich habe ich die kirchentür offen stehen sehen. drinnen habe ich dankbar an liebe menschen gedacht, die mich begleiten oder die ich getroffen habe und habe gegen die widerwärtigkeiten, an denen sie gerade leiden ein kerzlein angezündet. irgendwann um die mittagszeit versuche ich meine französischen kenntnisse telefonisch anzubringen, indem ich mir ein bett für die kommende nacht reserviere.

aber ich möchte ja weiter kommen. also gehe ich wieder auf den weg, und nur ein schönes motiv, das mir vor die augen kommt, stoppt mich. dann wird die kamera gezückt und der auslöser gedrückt. so habe ich zum wiederholten mal esel getroffen. es ist einfach schön wie diese ruhigen und gemütlichen tiere mich mit ihren grossen augen anschauen und mit ihren übergrossen lauschern wackeln.

das ende eines tages wird mit herbergssuche eingeläutet. es ist ein ritual: schuhe aus, vorstellen der häuslichen infrastruktur, information über  mahl-zeiten, bett belegen, duschen, fusspflege, wäsche waschen, standort-SMS nach hause schicken, tageskilometer notieren und nächste wegstrecke anvisieren.

örtliche gegebenheiten wie nette hospitalieros und/oder pilgerinnen oder alleiniger bewohner, wlan und/oder direktes internet oder gar nichts – das bestimmt den restlichen teil des tages. nach dem essen (in grösseren herbergen beim ankommen) bekommt die pilgerin den stempel und entrichtet ihren finanziellen beitrag für die herberglichen dienstleistungen – entweder vorgegeben oder auf spendenbasis (donativo).

ganz am ende – natürlich: zähne putzen und wecker stellen.

 

 

 

11.11. – was für ein tag?!

was verbinden wir deutschen mit dem 11.11.? – genau: faschingsbeginn um 11.11!

halt, das wars noch nicht: da gibt es noch die martins-gans und den martins-umzug mit laternenlaufen. am 11.11. ist das fest des hl. martin (herzlichen glückwunsch zum namenstag!)

und wie geht es dem deutschen in frankreich? ich habe weder narren gesehen noch hellau gehört. ich habe keinen gänsebraten gerochen und keine laternenlichter gesehen, auch keine martins-lieder von kindern singen hören.

nichts! wirklich nichts! gut – in der jugendherberge hat eine stunde früher als meines ein anderes mich geweckt und es gab ein ordentliches frühstück.

danach war alles ein satz mit x! es war schon auffallend, dass es – für mittwoch – keinen autoverkehr gab und keine leute auf der strasse waren. die post war zu – ich wollte doch meine 2600-km-schuhe als wertpaket nach hause schicken. und weil mein créanciale (carnet de pelerin, dt: pilger-innen-stempel-sammel-heft) gefüllt war, wollte ich in dieser für mich so wichtigen stadt cahors mir ein neues besorgen. alle kirchen und kirchenleute schienen mit was anderem beschäftigt zu sein.

in frankreich ist der 11.11. ein grosser feiertag. da steht ganz viel still. da wird der sieg über – nein, ganz falsch. an diesem tag feiert fast ganz frankreich das ende des ersten weltkrieges. sogar heute noch sind dann ältere honoratioren mit geschwellter und abzeichen-behangener brust im kirchenraum zu finden.

christian, ein französischer mitpilger geht mit mir dafür einen kaffee trinken. schon vorher hat er auf der suche nach dem créanciale mich durch die klippen des französischen feiertags gesteuert.

der folgende höhe-punkt liegt ca. 150 m über cahors. so hoch gehts hinaus über das lot-tal und das auf sehr kurzer wegstrecke, also gnadenlos steil. was dann später als ganzjährig geöffnet angeschrieben steht, stellt sich als verschlossen heraus. statt café au lait gibt es reines trinkwasser und statt einem croissant o.ä. gibt es altes brot (aber das muss ja auch weg).

meine heutige übernachtung habe ich wieder telefonisch geschafft. die monastère liegt einen guten kilometer abseits des weges, aber dieses kloster soll gut sein – so hört man öfters von pilgerinnen und hospitalières. ich  jedoch stehe vor verschlossenen türen. nach einigem warten rufe ich an, aber irgendwie ist das netz überfordert. nach einigem weiteren warten kommt ein auto vor gefahren, dem eine freundliche frau entsteigt, die sich zuerst einmal entschuldigt.

mit ihr bekommt der tag doch noch eine positive wendung. mir werden ein tee und kekse serviert. ich bekomme ein zimmer, das sich als einzelzimmer entpuppt und eine sehr moderne dusche hat. meine neuen blasen sind vergessen, als ich im convent zusammen mit ca. 25 frommen und freundlichen französischen frauen zu abend esse – quasi als hahn im korb. weil ich der einzige pilger heute bin, bekomme ich zudem die nahezu ungeteilte aufmerksamkeit von soeur andrée, die sich sehr bemüht meine begrenzte sprachkenntnis durch zuvorkommende gastfreundlichkeit auszugleichen.

was für ein tag – dieser 11.11.2014

cahors!

wenn sahagun auf meinem weg nicht ganz so den guten klang hat (hier mussten renate und ich im letzten jahr aufhören, und wären gerne weiter gelaufen. und hier wurde ich zu meiner mutter zurück gerufen), so hat cahors auf meinem weg den guten klang.

hier haben vorletztes jahr renate und ich angefangen den camino zu laufen. und damals haben wir das wirkliche pilgern begonnen. die strecke von zuhause nach cahors mit fahrrad und zelt war wunderbar, aber (für mich) nicht so recht das echte pilgern. zu fuss gehen ist langsamer und bedächtiger, als fuss-pilgerin siehst du mehr, hörst du mehr, riechst du mehr.  cahors haben wir 2004 mit dem fahrrad kennen gelernt und wir haben 2012 cahors mit dem verspäteten zug spät in der nacht  erreicht, um am nächsten tag richtung santiago aufzubrechen.

in cahors haben wir damals andré zum ersten mal gesehen, wie er über die lot-brücke ging.

und heute war ich nun wieder in cahors!

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im hotel

es gibt orte auf dem jakobsweg, da wird es in der nebensaison schwierig ein bett zu finden. zum glück gibt es in frankreich den miam-miam-do-do (dt: essen-essen-schlafen-schlafen), der jedes jahr aktualisiert herausgegeben wird. darin sind sehr viele übernachtungsmöglichkeiten aufgeführt. diesen miam-miam-do-do, den sehr viele französische pilgerinnen verwenden, habe ich mir bei meiner ankunft in frankreich besorgt.

wenn ich abends in einer herberge ankomme, und dann in die etappe des nächsten tages schaue, geht der blick auch in das herbergsverzeichnis des miam. zuerst schaue ich nach den pilger-herbergen (gites, auberges) und ob sie auch das ganze jahr offen sind (viele schliessen mitte oktober). die zweite präferenz sind dann die chambre d’hotes (die zimmer mit familienanschluss). beide möglichkeiten der übernachtung sind gesellig, persönlich und individuell. hier treffe ich in der regel andere pilger oder kann mit den hausleuten kontakt haben. ausserdem sind sie preislich günstig.

die letzte kategorie sind die hotels – die sind in der regel teuer und unpersönlich. dafür habe ich da meistens den grössten komfort. gestern mittag waren (wochenende) alle verfügbaren gites geschlossen und die chambre d’hotes waren alle belegt. da blieb mir nur das hotel übrig.

gut – das zimmer war gemütlich und ich habe mich ausgebreitet! richtig ausgebreitet! schlafsack und  das zusammengerollte pilger-handtuch gelüftet. ich habe das ganze zimmer in beschlag genommen. und ich habe ‚mein bad‘ ausgenutzt, auch wenn die dusche eine badewanne war.

das essen war gut und ich konnte auch noch danach in meinem badezimmer nase-weise daran teilhaben.

vielleicht war das ein grund dafür, dass ich am morgen danach etwas mehr an geldscheinen auf den kleinen rezeptionstisch legen musste. ein gespräch (oder diskussion) habe ich mir verkniffen. (wie heisst die alte reise- weisheit: wer wenig worte kennt, bezahlt etwas mehr.)

wie weihnachten

der tag begann mit Therese! nach dem frühstück kam sie zur tür herein und überreichte mir ein längliches und sehr schlankes paket. allen war klar, was es beinhaltete. meine renate hatte weder mühe noch kosten gescheut und mir meinen stock – den ich bei meinem heimat-aufenthalt, als meine mutter starb, vergessen hatte – nach frankreich geschickt! wg. postalischer irritationen hatte mir Therese schon vorher ein päckchen hinterher gefahren. für sie war es – so wie sie es mir sagte: ein freundschafts-dienst für jakobspilger.

und nun dieser nochmalige freundschafts-beweis! Therese wollte unbedingt wissen, in welcher herberge ich wo übernachte, weil sie wusste, dass noch ein paket unterwegs war. in ihrer ureigenen herzlichen art bekam ich es nun von ihr überreicht. als antwort auf meinen dank dafür stimmte sie das lied der (französischen) pilger an, das sie auch bei anderen anlässen sang: tous les matins nous prenons le chemin, tous les matins nous allons plus loin … – ultreja! und ich konnte nun meinen weiteren weg mit der unterstützung meines stockes fortsetzen.

noch etwas weiteres sollte meinen weiteren weg unterstützen: wintertaugliche wanderschuhe. nachdem ich schon vor ein paar tagen bemerkte, dass bei beiden schuhen nähte aufgeplatzt waren, wollte ich einen schuster auf/suchen. der in moissac entdeckte noch weitere heiklere ‚verletzungen‘ und schickte mich in ein fachgeschäft für wanderschuhe. dort stand im regal ein paar, das wohl auf mich gewartet hat. die grösse stimmte, die füsse passten gut rein – nach mehreren rundläufen im geschäft zog ich sie gar nicht mehr aus und trug die ‚alten‘ in die herberge.

dieser tag begann also mit zwei neuen sehr wichtigen pilger-utensilien: stock und schuh. ein guter tagesbeginn, den die sonne dann noch fortsetzte.

asphalt, zum zweiten

dieser weg konnte kein weiter sein. von vorn herein war mir klar, er wird eben und gerade sein wie in der meseta. er wird allerdings durch alleen und an einem kanal entlang führen.

ABER: er wird durch-gehend asphalt sein. er war die generalprobe für zweierlei: wird mein rechtes bein solche wegstrecken wieder schaffen? vor allem aber werde ich die not-wendige langsamkeit über die ganze strecke durchhalten? und wir beide haben es sehr gut geschafft. ohne probleme kamen wir in moissac an. sicher hat dazu auch ein bild eines pilgers mit beigetragen, der mir entgegen kam: die seele fliegt gern voraus, besonders wenn es der heimat zugeht. die füsse sind aber dem boden verhaftet. da braucht die seele geduld um achtsam mit den füssen sein zu können.

nur der regen hat mich und meine schuhe etwas stärker beansprucht. der schuhmacher in moissac konnte nichts mehr reparieren. nun musste vollbracht werden, was der heran nahende winter sowieso verlangt hätte: neue wanderschuhe kaufen. und in moissac haben sie im regel auf mich gewartet. ich habe sie gesehen und anprobiert. nach einigen rundgängen im schuhladen waren es meine – und ich habe die sie dort auch gleich an den füssen gelassen.

 

 

 

 

die schnelle post von miradoux

heute haben Therese und ich versucht, die unendlichen tiefen der deutsch-französischen postalischen partnerschaft zu ergründen. unser versuch ist gescheitert. zur EU-internen paket-recherche benötigt man/frau eine nummer, die liegt aber in deutschland auf einem schreibtisch (morsbach), der gerade unbesetzt war. aber der post-computer miradoux war ausser funktion, was die sofortige nummern-recherche erübrigte.

das war Thereses alternative: auf dem weg zum nächsten etappenziel gehe ich bei der nächsten grösseren stadt auf die post und recherchiere dort. das ergebnis gebe ich ihr telefonisch durch (ggf. per übersetzung mit hilfe von andré, einem des englischen mächtigen franzosen).

ich zog also – mit ultreja und winken begleitet – von dannen. es war gerade eine stunde vergangen, als ich auf der strasse vor mir ein auto bemerkte, das etwas eigenartige fahrmanöver durchführte. anhalten, in waldeinfahrt einbiegen, wenden, auf mich zufahren und anhalten. dem auto entstieg Therese und übergab mir freudestrahlend das päckchen. da ich wusste, das ein teil des inhalts für sie bestimmt war, öffnete ich es gleich. die künzelsauer pralinen übergab ich ihr, den rest versuchte ich in meinem rucksack unterzubringen. mit ultreja fuhr sie fröhlich zurück und – weil ich auf die schnelle nicht alles im rucksack unterbrachte – ich zog mit einer schachtel unterm arm fröhlich weiter meines weges.

 

 

vorweihnachtliche anspannung

manchmal läuft hier recht viel. nicht dass ich viele kilometer am tag unterwegs bin. das ist gerade aus ‚beinlichen‘ gründen eher weniger (ich habe gelernt kürzer zu treten!)

manchmal läuft drum herum recht viel, z. b. in der herberge. – und manchmal ist Internet-mässig gar nicht viel los. und manchmal gibt es kein wifi und im französischen land ist der mobile internet-empfang sehr dürftig. das sind die gründe dafür, dass manche tage auf sich warten lassen.

heute  war bei mir viel los. ich bin heute gelaufen und habe mich gefühlt wie ein kind zwei tage vor weihnachten. ziel war miradoux, die stadt in der die herberge ‚La Pause Verte‘ ist – und Therese. im laufe des vormittags telefoniere ich in der regel und melde mich in der abendlichen herberge an. auch in der grünen pause habe ich das so gehalten und bei zwei nummern auf dem anrufbeantworter meine anfrage hinterlassen. in der regel melden sich die hospitalieras und bestätigen oder nicht. Therese nicht – sie hat auch keine gite – wie sie mir später erklärte – sie hat une maison. ich wartete und wartete – vergeblich.

ich wartete vor allem aber, weil ich wusste, dass renate ein päckchen (mit einem mir noch fehlenden wanderführer und neuen socken) und meinen stock zu ihr geschickt hatte. hatte die zusammenarbeit der deutschen und französischen post geklappt? dann müsste beides jetzt bei Therese liegen.

ich kam an und bekam mein zimmer. aber ich bekam statt dem paket ’nur‘ obst und tee angeboten. die zusammenarbeit hatte also nicht funktioniert und die enttäuschung war mir vermutlich anzumerken. mir ging es wie einem kind, das die falschen weihnachtsgeschenke bekommen hat. auch wenn der camino für vieles eine lösung bietet und Therese mir ein einfaches, aber ganz fantastisches abendessen angeboten hatte, konnte ich den tag nur halbwegs beruhigt abschliessen.

warum nur, warum?

mein bein geht so weit wieder… aber ich möchte es noch eine weile schonen. es hat gedauert, bis es so weit war.

heute ist mir dann doch auch die frage wieder in den sinn gekommen; warum machst du das? (zumal es heute morgen beim loslaufen ordentlich geregnet hat.) klar: den beruf auf diese meditative weise beenden, meine (neue) situation befühlen und bedenken, mich für das kommende bereit machen.

und ich spüre darüber hinaus auch noch eine innere verpflichtung. ich habe es auf dieser seite geschrieben: „gemeinsam mit anderen, z. b. mit besuchern meines blogs mit einem kleinen beitrag deren situation verbessern können. ich möchte kinder und jugendliche mit handicaps im norden indiens unterstützen.“

ashadeep das ist ein weiterer grund, warum ich laufe. nachdem mein bein wieder geht, möchte ich auf junge menschen aufmerksam machen, bei denen das nicht so einfach geht.

an dieser stelle möchte ich allen bisherigen sponsoren/spenderinnen ein ganz grosses DANKESCHÖN sagen. ihr alle habt euren kleinen beitrag gegeben, dass an einem kleinen ort die situation von (jungen) menschen besser werden kann! DANKE

 

ruhetag

gestern abend war ein grosser teil meiner wäsche noch nicht trocken. der wetterbericht sagte für heute keine glorreichen aussichten voraus. und letztlich wäre eine kleine ruhepause für mein bein sehr förderlich. dazu kam, dass die herberge eine sehr freundliche und achtungsvolle atmosphäre hatte.

dies führte dazu, dass ich gestern abend mich entschloss einen ruhetag einzuschieben. ich liess mich heute also nicht vom wecker wecken, sondern von meiner blase. und ich frühstückte mal wieder so richtig total gemütlich mit allem drum und dran (der grosse tisch der herberge trug sehr viele feine fresschen). dann liess ich mir den tag über alle zeit der welt. ich arbeitete den blog etwas auf und zwischendurch versorgte ich meine wäsche. ich weihte auf meinem fairphone skype mit renate zusammen ein. downtown war ein café au lait mit einem croissant für mich hergerichtet. vor dem abendessen in einer von laurent, dem hospitaliero empfohlenen kneipe wurde ich von ihm auf ein gläschen wein eingeladen. da sass ich dann mit zwei französinnen und ihm zusammen und versuchte mein knappes französisch anzubringen. da verliert so mancher franzose die geduld, wenn ich seinen wortschwall zum x. mal nicht verstanden habe (verständlich!) doch auch im englisch-französischen mischmasch ergibt ein wort das andere. und so prophezeite mir mein hospitaliero, ab sofort nur noch in seiner muttersprache mit mir zu reden. und was nehme ich daraus mit? ich will vor allem mein vokabular aufbessern.

der abendliche gang durch die stadt deutete an, dass für mein bein dieser ruhetag sehr sinnvoll war. und morgen gehts weiter!

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camino im jagdrevier

herbstzeit ist jagdzeit – auch auf dem camino. nicht, dass jagd auf die letzten verbliebenen pilgerinnen gemacht wird. nein – neben und auch auf dem camino sind die herbstlichen jäger präsent.

anfangs fiel mir auf, dass vor allem am wochenende bzw. am sonntag jagdsaison war. da tönten schon früh morgens von überall her die schüsse durch wald und feld. neuerdings ist das nun täglich der fall. und es kommt mir manchmal so vor, als ob der schütze sich neben mir im wegesgraben befindet. mehr als einmal wurde mir angst und bange bei dem gedanken, ob der mann hinter der flinte auch im jagdfieber zwischen mir in meinem braunen pulli und einem reh unterscheiden kann.

was ich heute erleben durfte, war für mich die krönung der camino-jägerei. ich trete ums eck aus dem wald heraus und keine 200 m von mir entfernt pirschen zwei flintenmänner mit ihrer waffe im anschlag durch eine hoch gewachsene herbstliche wiese. ich werde – mit meinem angeschlagenen bein sowieso langsam – vor erstaunen und erschrecken noch langsamer. so bewegen wir drei uns vorsichtig vorwärts, ich sie und sie wen auch immer betrachtend. der camino kann manchmal unbarmherzig sein – er führt mich noch näher an die jäger heran. also noch langsamer werden oder gleich stehen bleiben? da gellen plötzlich zwei schüsse durch die morgendliche ruhe. ich fahre zusammen! im selben moment rennt aus der wiese heraus ein hase direkt vor mir über den weg ins benachbarte feld. ich erschrecke noch einmal, nur nicht so heftig. der hase ist über alle berge, da winkt einer der beiden mich vorbei. im glauben, nun ist alles überstanden, lege ich wieder an tempo zu. da höre ich hinter mir geräusche wie das quiecken eines ferkels. irritiert drehe ich mich um und sehe zu meinem erstaunen einen kleinen hund mit seiner nase am boden und ‚quieckend‘ im zickzack auf mich zu rennen. kurz vor mir dreht er ab und folgt wohl der fährte in die wiese zurück.

übrigens: morgen haben die huberts namenstag – der hl. hubertus ist der schutzpatron der jäger und waldarbeiter.

nachtlager

am ende jeden tages ist jede pilgerin auf der suche nach einem bett. in spanien und zur hauptsaison habe ich einfach die nächste herberge anvisiert- und fertig. als einzelner bekommt man/frau eigentlich immer ein bett, wenn er bzw. sie nicht wählerisch ist.

nun ist nebensaison und viele herbergen sind schon geschlossen. sie machen oftmals mitte oder ende oktober zu. dann dünnt sich die  möglichkeit aus ein geeignetes bett zu finden. wer nicht so mutig ist drauf los zu laufen (wie ich zur zeit), der plant nun seine tagestouren etwas mehr. und wer sicher gehen will, dass das bett, das er sich heraus gesucht hat, auch bekommt, der ruft vorher an und reserviert. – das ist gar nicht so einfach, auch wenn man die standardsätze so drauf hat. ich bin nicht fit im hören und verstehen von mehreren schnell gesprochenen französischen sätzen. dann kann es sehr holprig werden.

ich habe die erfahrung gemacht, dass es auch mit gites eng werden kann. zum glück gibt es in frankreich die chambre d’hôtes – die gästezimmer mit familien-anschluss. das ist dann teurer, aber man hat seinen eigenen raum und kann sich ausbreiten. das schöne und wertvolle für mich ist der familien-anschluss. da ist zum einen die freundliche aufnahme und das gemeinsame (individuelle!) abendessen. zum anderen ist das für mich vor allem die grosse chance im kleinen kreis französische konversation zu üben.