eben ist nicht wirklich eben

meseta – eine grosse ebene, durch die sich der jakobsweg kerzengerade durchzieht. über viele kilometer gibt es weder herberge noch laden, nicht mal trinkwasser-brunnen. in pilgerführern und bei pilgern ist diese wegstrecke gefürchtet, weil sie, wenn die sonne herniederbrennt, auch keinen schatten bietet. auf unserem weg nach santiago sind renate und ich ein solches stück zweimal gegangen. wir hatten glücklicherweise nicht so ganz hohe temperaturen.

nun liegt die meseta also vor mir und irgendwie freue ich mich auf diesen meditativen teil meines weges und bin nun gespannt, was er mir bringt. der weg liegt bis zum horizont sichtbar vor mir. ich sehe einige pilger entgegenkommen (wenn auch weniger als beim ersten teil der strecke). ist einer vorbei, tauchen am horizont weitere auf. während ich so pilger beobachte, fällt mir auf, dass immer wieder welche verschwunden sind und kurze zeit später sie langsam wieder aus dem weg in die höhe kommen. natürlich – die ebene der meseta ist eben nicht ganz eben. wie die hohenloher ebene hat sie ihre kleinen senken, in der gerade ein pilger ‚verschwinden‘ kann. auf dem hinweg ist mir dies nicht aufgefallen, da war ich wohl zu sehr ins gespräch vertieft.

ich bin aber wohl etwas zu schnell gelaufen, denn gegen ende tat mir mein rechtes bein etwas weh. das abendessen und die gespräche in der herberge haben dies aber voll und ganz ausgeglichen.

nachtrag

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für die beste aller ehe-frauen:

aufdem weg nach santiago hatten wir in der meseta einen imposanten blick (aus dem badfenster einer herberge) hinaus in den abendhimmel. renate (s.o.) bat mich um ein foto. hier ist es, nur nicht aus dem badfenster, sondern von vor der herberge. da wurde gerade geputzt und ich durfte das haus nicht betreten.

 

 

bin wieder auf dem weg

nach langem sitzen in zügen bin ich nun wieder am gehen. und die orientierung fühlt sich an wie eine zusammenfassung des ersten teils: nicht nur die gelben pfeile, sondern auch wieder die werbeplakate, die alle nach ‚hinten‘ ausgerichtet sind und die kleinen jerusalem-aufkleber zeigen mir den rechten weg. und pilger zu fuss und auf dem fahrrad leiten mich – aber es sind deutlich weniger. und nach einiger zeit bin ich wieder eingetaucht ins rückwärtslaufen.

oder besser: untergetaucht, denn die ganz neue erfahrung sind die zum teil kräftigen regenschauer. nasse von oben und nasse von unten.

so geben mir neben vielen zeichen für die grosse/grobe richtung nun auch die weiten und tiefen pfützen auf dem weg die feine richtung vor.

so richtig bin ich jedoch noch nicht wieder angekommen. akklimatisieren muss ich mich noch. bei meinem aufenthalt zuhause habe ich die sommerkleidung gegen wärmere und schnell trocknende ausgetauscht. innerlich brauche ich noch etwas zeit um mich wieder ins gehen einzufinden zu können.

dabei helfen mir begegnungen wie diese. ein pilger fragt: „back from santiago?“ auf mein ja folgt „and now to roma?“

es geht gleich weiter

meine mutter ist gestorben. ich konnte rechtzeitig bei ihr sein und sie auf ihrem weg in ein anderes sein ein Stück weit begleiten. bei aller traurigkeit bin ich dafür dankbar. ein ganz herzliches dankeschön an alle die menschen, die mir zur seite gestanden sind, die in gedanken und mit ihren worten bei mir waren.

bei einem weiteren – sehr schönen – ereignis konnte ich in der unterbrochenen zeit dabei sein. zwei tage nachdem mich meine mutter zurück holte, war unser sohn sebastian mit seiner julia auf dem standesamt. nun konnten wirklich alle elternteile dabei sein. es war ein wunderschöner fest-nachmittag, der seine fortsetzung am wochenende hatte. das frischgebackene ehepaar feierte mit dem schwiegervater den gemeinsamen  120. geburtstag.

für mich waren diese beiden sehr gegensätzlichen ereignisse nicht einfach ‚unter einen hut zu kriegen‘. ich denke, das gehen auf dem camino vorher hat mir dafür die nötige gelassenheit gegeben.

 

nun geht mein unterbrochener weg weiter. heute bin ich mit dem zug in burgos angekommen.

 

unterbrechung

heute habe ich aus der heimat schlechte nachrichten bekommen. meiner mutter geht es gerade nicht sehr gut, ihr gesundheitszustand hat sich stark verschlechtert. daher habe ich heute nachmittag beschlossen, ganz schnell zu ihr zu gehen.

ich unterbreche mein in-den-ruhestand-gehen. wann ich wieder weitergehen kann, weiss ich noch nicht. ich werde mich jedoch auf alle Fälle wieder melden.

top-camino-nachrichten

es gibt neues vom camino:

ein filmteam wurde mehrfach gesichtet. schauspieler mussten bei knallendem sonnenschein in voller regenmontur mehrfach durch von wasserwerfern erzeugten regen pilgern. das besagte team wurde anschliessend ein weiteres mal gesehen. aber er war dann mal weg, unser ‚grösster‘ pilger. aus nicht näher bekannten quellen, jedoch aus sicheren quellen wurde bekannt, dass h-p k. buch derzeit an original-standorten verfilmt wird

spanische städte

auf dem weg von santiago nach hause (oder umgekehrt) geht man/frau auch durch grosse städte wie burgos, pamplona, leon usw. für den langsamen zu-fuss-geher sind die vorstädte (und nachstädte) eher ein graus: viel asphalt, lagerhallen, firmen, LÄRM … und sie sind unübersichtlich und für das finden eines weges nicht immer bestens gemacht.

aber ganz innen drinnen sind sie voller leben! besonders spanische städte wachen abends auf. da ist alles auf den strassen und plätzen:  frauen und männer im gespräch, kinder und kleinkinder beim spiel, jugendliche und junge leute beim schäkern und alte und behinderte menschen sitzen dabei. es fühlt sich fantastisch an, da mittendrin zu sein und sich durch dieses im pulsierende leben treiben zu lassen.

das entschädigt!

 

runder geburtstag

heute hat sebastian einen runden geburtstag. zu seinen 30. wünsche ich dem jungen mann, dass er den weg, den er eingeschlagen hat (mit allen umwegen), mit freude, humor, energie, ausdauer und gelassenheit weitergehen kann – weiter gehen mit sich selbst, seiner familie und seinen beruflichen und anderen tätigkeiten.

ab-um-wege

hat nicht jeder mensch seinen eigenen weg in sich selbst? im laufe der lebens-zeit kommen wege hinzu: nebenwege, umwege, abwege. in dieser vielzahl von wegen sucht das kind, der jugendliche mit hilfe von erwachsenen den je eigenen zu finden. dies ist geglückt, wenn der junge mensch irgendwann spürt, weiss, sagen kann: „ich habe  m e i n e n  weg gefunden!“

ich habe heute meinen rück-weg gefunden, habe aber umwege un kauf nehmen müssen. die richtige abzweigung des caminos von der strasse habe ich gesehen, aber nicht erkannt. ich habe (längere) strecke der strasse genommen. und oben an der nächsten kreuzung war mir dann klar: aus der sicht der pilger, die abwärts gehen, brauchte es an meiner kritischen stelle kein zeichen. deren ziel war das dorf unten im tal. ‚gefangen‘ in der perspektive des zurück-gehers habe ich die sicht der anderen aus dem blick verloren.

ich hoffe, dass mir dies in meinem lehrer-leben nicht zu oft und im falschen moment passiert ist. ich hoffe, dass ich feinfühlig genug war, den jungen menschen die impulse zu geben, die ihnen halfen,  i h r e n   weg zu finden und zu gehen.

tag der einheimischen

als wanderer durch grosse städte zu ziehen ist nicht vergnügungssteuerpflichtig! aus der sicht von gehern sind sie grauslig. vorstädte mit firmen u.ä., asphaltpisten und unübersichtliche straßenführung sind für uns eine qual.

daher bin ich froh, ponferrada hinter mir zu wissen. grosse hilfe dabei waren für mich einheimische, die mir den richtigen abzweig gezeigt haben. und sie hatten heute mich des öfteren darauf hingewiesen, dass santiago in der anderen richtung liegt. wenn meine minimalen spanischen wörter zusammen mit gesten dann auch verstanden worden sind, ging dann gleich der daumen in die höhe. eine nette form der internationalen nonverbalen anerkennung.

jerusalem-way

vielen dank für die kommentare, die ich aus der heimat – bzw. anderswoher – erhalte(n habe). über jeden einzelnen freu(t)e ich mich sehr. sie sind für mich ein zeichen, dass ich von lieben menschen aus der ferne begleitet werde. das gibt mir kraft und ausdauer.

ausser pilger und gelben pfeilen fallen mir schon die ganzen tage kleine aufkleber auf. sie befinden sich hauptsächlich auf pfosten von verkehrsschildern und sind aus meiner! richtung gut sichtbar. die wenige zentimeter grossen  kleber zeigen die österreichische flagge mit der aufschrift ‚JERUSALEMWAY‘ und einer friedenstaube, manchmal mit dem zusatz .com oder.at. diese kleinen dinger muss jemand für ‚zurück-geher‘ (wie mich) geklebt haben. wenn an weggabelungen oder kreuzungen kein pfeil zu sehen ist, dann ist auf dem richtigen weg auf dem nächsten pfosten ‚österreich‘ zu sehen. oft hat mir bisher dieser aufkleber den weg gewiesen oder bestätigt. daher ein ganz grosses DANKE an die menschen, die dahinter stehen.

gesichter, gesichter, gesichter

sonntag – der tag des spanischen kurzpilgers. mir kommen pilgerinnen und pilger in Massen entgegen. das schöne an der sache: ich sehe gesichter, gesichter, gesichter,… junge und alte, freundliche und ernste, herzliche und nachdenkliche, … es ist schön in die gesichter zu sehen und ein lächeln zu finden.

und einige sprechen mich an. „the wrong way“ ich antworte mit einem „it’s my way“. oder ein besorgtes: „are you okay?“ oder – auf mein ‚back hone‘ – in spanisch mit händen und füssen: „content de apostolo santiago“ und einem angedeuteten segensgruss. viele kleine Begegnungen begleiten mich.

 

 

rückwärtslaufen üben

dieser morgen hat es in sich, es ist ein ganz besonderer: gestern kam eine alters gemischte spanische gruppe in der herberge an. heute morgen weckte um etwa 5 uhr das handy eines sehr strebsamen und eifrigen pilgers nicht nur ihn. das war der startschuss für weitere klingeltöne, reissverschlussgeräuschen , kleinen und leisen dialogen und vor allem gab es eine stirnlampen-disco. innerhalb einer halben stunde sind fast alle auf den beinen, der rest händelt handys. noch vor 6 uhr geht dann das grosse licht an. also auch aufstehen und losziehen. nach einem frühstück in einer benachbarten bar ziehe ich um 7 uhr mit stirnlampe bewaffnet in die dunkelheit. buen camino!

mein weg ist geprägt durch das ausprobieren verschiedenster möglichkeiten den rechten rück-weg zu finden. pfeile an wänden sind interpretierbar, auf dem strassenbelag ebenso. im dunkeln wirds dann echt heikel. wegsteine geben deutlichere signale. im zweifelsfall hilft die landkarte. pilger sind am sichersten, wo sie herkommen, da muss ich hin! also weit voraus schauen, dann klappt es.

das schöne des verkehrt-gehens: ich sehe die Gesichter, die mir entgegenkommen – wunderbar! und nun sehe ich die radfahrer schon von weitem.

abschied

heute ist der tag des grossen abschieds. als ich renate zum airport-bus brachte, war klar: nun beginnt der weg allein zurück wirklich. der grosse platz der freuden vor der kathedrale wurde zum abschiedsplatz von santiago. und dann kamen mir die pilgerinnen und pilger nur noch entgegen. – der rückweg war in vollem gange.

Santiago ist nicht das Ziel des Jakobswegs, es ist der Anfang. (pilgerspruch des caminos)

auf dem weg mit mehr frei-zeit und für benachteiligte menschen, vor allem kinder und jugendliche