Archiv der Kategorie: rückweg

meine kolleginnen und kollegen

meine kolleginnen und kollegen der brüder-grimm-schule haben ab morgen die nächsten 11 tage gewählt. an dieser stelle ein ganz herzliches dankeschön für euren beitrag zu ‚meinem‘ projekt.

da dies ja auch mein weg in den ruhestand ist, möchte ich diese beiden dinge miteinander verbinden. ich möchte mir für jeden tag eine/n wählen, die/der für diesen tag mein weg-begleiter sein wird. ich möchte meine zeit mit ihr/ihm mir noch einmal anschauen, nach-denken, nach-spüren und auf diese guten zeiten dankbar zurück-schauen.

ehrenrunde…

französische städte sind nicht besser als spanische. es gibt auch hier probleme beim rein finden und beim raus gehen. hinzu kommen (zeitweilige) unzulänglichkeiten oder nachlässigkeiten der pilgerin – hier des pilgers.

von figeac aus auf den camino rückwärts. ein blick auf den stadtplan, den ich gestern bekommen habe, zwei straßennamen gemerkt und los gehts! zeichen sind da, also denen nach. eigentlich sollte es steil bergauf gehen, momentan steigt es eigentlich sehr gemütlich an – da vorne wirds schon steiler. die richtigen (!) zeichen werden weniger, irgendwann gibt es nur noch ausgebleichte älteren datums. die verwunderung weicht dem zweifel.  da kommen die einheimischen gerade richtig. und sie erklären mir frank und frei, dass die die falsche richtung und die einzige möglichkeit der weg zurück nach figeac sei. vier kilometer sei er schon ausserhalb. puuhh! das haut den stärksten pilger um. dnr regen nimmt man da nicht mehr wahr.

also 4 km retour auf start und mit 8 km mehr noch einmal beginnen. die eigene karte nochmal richtig angeschaut, und schon sind die gleichen zeichen auf einem sehr steilen, aber richtigen weg da. oben angekommen scheitert der versuch eine näher liegende herberge zu reservieren. den stärker werdenden regen nehme ich jetzt schon sehr deutlich wahr im wissen, dass nicht nur die 8 vorher, sondern noch weitere 6 km dazu kommen.

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aber alles hat seinen sinn… ich lande des abends in einer (eigentlich geschlossenen) herberge und treffe dort einen französischen pilger. in englisch unterhielten wir uns über sehr tiefsinnige, fast philosophische erkenntnisse des zurück-caminos (auch er stellt sich als rückwärts-pilger heraus), wie menschen sich verändern können und was erziehung  bewirkt. die krönung des abends ist dann ein kleines jazz-konzert in einer benachbarten bar. da vergesse ich doch glatt die acht umsonst-kilometer.

herbergssuche

das bett, das ich heute verlassen habe, das habe ich – wie alle  bisher – irgendwann um die mittagszeit telefonisch reserviert. „bonjour, ici est n.g., un pelerin allemand. je voudrais réserver un lit pour ce soir…“ – in der hoffnung zu verstehen, was die französin am anderen ende der leitung antwortet. schlüsselwörter sind fermé bzw. ouvert und complet bzw. d’accord oder bien sûr.

heute habe ich wieder mehrfach mein sprüchlein aufgesagt und nur ansahen bekommen. da eine stadt mein ziel war, bin ich mal drauf los gelaufen und habe das touristenbüro anvisiert. dort habe ich echte pilger-hilfe bekommen. die dame hat gleich versucht telefonisch zu reservieren, aber niemanden erreicht. schliesslich kennzeichnete sie mir die zwei herbergen im stadtplan und zur sicherheit noch zwei günstige hotels dazu. die erste herberge war an der angezeichneten stelle (für mich) nicht auffindbar. bei der zweiten sah ich, dass ich da angerufen und ein fermée bekommen hatte. ich klingelte also ganz erwartungsvoll. den herrn, der oben unterm dach aus dem fenster schaute, fragte ich nach einer schlafmöglichkeit. kurz darauf öffnete sich die haustür und kurze zeit später hatte ich ein bett sicher.

 

bettwanzen

in manchen herbergen bzw. chambre d’hôtes in frankreich sieht die pilgerin hefter mit gefüllten klarsichthüllen liegen. titel: punaises – bettwanzen. von der historie über biologische infos bis hin zu zeitungsausschnitten und gegen- bzw. hilfsmassnahmen sind darin enthalten. sie sind gefürchtet bei pilgerinnen und herbergsbetreiberinnen. sie sind tückisch und aus menschlicher sicht nahezu hinterhältig. denn sie sind sehr  lichtscheu und überlebenstüchtig. wenn sie sich in einem herbergsbett eingenistet haben, hilft oft nur noch die chemische keule. legt sich eine pilgerin in ein ‚infiziertes‘ bett, dann muss sie damit rechnen, dass des nachts die tierchen auf nahrungssuche sie mehrfach anpieksen. das sieht (aufgereihten) schnakenstichen ähnlich, juckt aber heftiger und länger. zwar gibt es einiges dagegen, aber eine ‚behandlung‘ ist einfach lästig.

daher haben die herbergen zu den unterschiedlichsten massnahmen gegriffen. erstes gebot: keinen rucksack auf ein bett! weil das nicht so gut kontrolliert werden kann, gilt oftmals die strikte trennung von rucksack und schlafraum. die pilgerin erhält des ein körbchen oder eine tasche, worin sie ihre 7-schlaf-sachen in den schlafraum mitnehmen kann – der rucksack bleibt im eingangsbereich, im keller oder sonst einem raum. letztlich ist es so, das der ‚gepiekste‘ der leid tragende ist, aber beim vor/vorgänger das eigentliche problem lag.

ein ganz normaler tag

mein tag beginnt – wer hätte das gedacht (ich selbst am wenigsten!) – indem mich mein wecker eine gute halbe stunde vor dem sonnenaufgang leise aus dem schlaf brummt. seitdem in hoch-zeiten des camino-pilgerns regelmässig handys die grossen und kleinen schlafräume weckten, ist das meine abends grundsätzlich auf brummen (vibrieren) gestellt. es kommt aber öfters vor, dass ich vor meinem brummer schon wach bin. aufstehen, toilette und bad folgen. auf nüchternen magen wird der rucksack gepackt. nach dem verlassen der schlafstätte geht es richtung frühstückstisch. immer gut gestärkt (es ist eigentlich immer nur eine frage des was) ist es dann ein leichtes sich den rucksack aufzuerlegen. je nach dem wie freundschaftlich und herzlich der gemeinsame abend war, ist dann auch der abschied… (heute morgen zum beispiel war er mit ‚meiner‘ soeur andrée sehr herzlich und fröhlich.

nun folgt das eigentliche tagwerk: gehen. und schauen, wo welche weg-zeichen sind. dazwischen sinniere ich über die menschen, die ich getroffen habe, spüre den situationen nach und freue mich über die schönen augenblicke. ich lasse gedanken und gefühle kommen und gehen. und dann fällt mir ein, dass ich ja auch noch schauen sollte, ob ich mich noch auf dem rechten weg befinde. ich halte sehnsüchtig ausschau nach dem nächsten zeichen und bin froh, wenn eines auftaucht (und sei es auch nur das gekreuzte ‚verbotener weg‘). die freude ist gross, wenn – wie heute morgen – auf dem weg ein café auftaucht – und sei es auch nur ein kleiner laden, in dem eine kaffeemaschine steht. dann ist zeit für ein zweites frühstück.

was danach folgt ist klar: rucksack auf und weiter gehts. je nach wegbeschaffenheit langsamer oder zügiger, und auf asphalt gezügelter. am schönsten sind die trampelpfade durch die wälder. da lerne oder wiederhole ich dann auch französische vokabeln. die wichtigen notiere ich mir zwischendurch in einem hosentaschen-blöckchen im format DIN-A-7. und schliesslich stimme ich zwischendurch auch ein liedchen an.

heute habe ich gerade noch so wirklich 5 vor 12 noch meine ehrwürdigen ausgegangen schuhe auf die post gebracht. zuhause sollen sie einen ehrenplatz wie auch immer bekommen. damit meine neuen sich nicht zu sehr an den füssen reiben, habe ich auch noch blasenpflaster eingekauft. letztendlich habe ich die kirchentür offen stehen sehen. drinnen habe ich dankbar an liebe menschen gedacht, die mich begleiten oder die ich getroffen habe und habe gegen die widerwärtigkeiten, an denen sie gerade leiden ein kerzlein angezündet. irgendwann um die mittagszeit versuche ich meine französischen kenntnisse telefonisch anzubringen, indem ich mir ein bett für die kommende nacht reserviere.

aber ich möchte ja weiter kommen. also gehe ich wieder auf den weg, und nur ein schönes motiv, das mir vor die augen kommt, stoppt mich. dann wird die kamera gezückt und der auslöser gedrückt. so habe ich zum wiederholten mal esel getroffen. es ist einfach schön wie diese ruhigen und gemütlichen tiere mich mit ihren grossen augen anschauen und mit ihren übergrossen lauschern wackeln.

das ende eines tages wird mit herbergssuche eingeläutet. es ist ein ritual: schuhe aus, vorstellen der häuslichen infrastruktur, information über  mahl-zeiten, bett belegen, duschen, fusspflege, wäsche waschen, standort-SMS nach hause schicken, tageskilometer notieren und nächste wegstrecke anvisieren.

örtliche gegebenheiten wie nette hospitalieros und/oder pilgerinnen oder alleiniger bewohner, wlan und/oder direktes internet oder gar nichts – das bestimmt den restlichen teil des tages. nach dem essen (in grösseren herbergen beim ankommen) bekommt die pilgerin den stempel und entrichtet ihren finanziellen beitrag für die herberglichen dienstleistungen – entweder vorgegeben oder auf spendenbasis (donativo).

ganz am ende – natürlich: zähne putzen und wecker stellen.

 

 

 

11.11. – was für ein tag?!

was verbinden wir deutschen mit dem 11.11.? – genau: faschingsbeginn um 11.11!

halt, das wars noch nicht: da gibt es noch die martins-gans und den martins-umzug mit laternenlaufen. am 11.11. ist das fest des hl. martin (herzlichen glückwunsch zum namenstag!)

und wie geht es dem deutschen in frankreich? ich habe weder narren gesehen noch hellau gehört. ich habe keinen gänsebraten gerochen und keine laternenlichter gesehen, auch keine martins-lieder von kindern singen hören.

nichts! wirklich nichts! gut – in der jugendherberge hat eine stunde früher als meines ein anderes mich geweckt und es gab ein ordentliches frühstück.

danach war alles ein satz mit x! es war schon auffallend, dass es – für mittwoch – keinen autoverkehr gab und keine leute auf der strasse waren. die post war zu – ich wollte doch meine 2600-km-schuhe als wertpaket nach hause schicken. und weil mein créanciale (carnet de pelerin, dt: pilger-innen-stempel-sammel-heft) gefüllt war, wollte ich in dieser für mich so wichtigen stadt cahors mir ein neues besorgen. alle kirchen und kirchenleute schienen mit was anderem beschäftigt zu sein.

in frankreich ist der 11.11. ein grosser feiertag. da steht ganz viel still. da wird der sieg über – nein, ganz falsch. an diesem tag feiert fast ganz frankreich das ende des ersten weltkrieges. sogar heute noch sind dann ältere honoratioren mit geschwellter und abzeichen-behangener brust im kirchenraum zu finden.

christian, ein französischer mitpilger geht mit mir dafür einen kaffee trinken. schon vorher hat er auf der suche nach dem créanciale mich durch die klippen des französischen feiertags gesteuert.

der folgende höhe-punkt liegt ca. 150 m über cahors. so hoch gehts hinaus über das lot-tal und das auf sehr kurzer wegstrecke, also gnadenlos steil. was dann später als ganzjährig geöffnet angeschrieben steht, stellt sich als verschlossen heraus. statt café au lait gibt es reines trinkwasser und statt einem croissant o.ä. gibt es altes brot (aber das muss ja auch weg).

meine heutige übernachtung habe ich wieder telefonisch geschafft. die monastère liegt einen guten kilometer abseits des weges, aber dieses kloster soll gut sein – so hört man öfters von pilgerinnen und hospitalières. ich  jedoch stehe vor verschlossenen türen. nach einigem warten rufe ich an, aber irgendwie ist das netz überfordert. nach einigem weiteren warten kommt ein auto vor gefahren, dem eine freundliche frau entsteigt, die sich zuerst einmal entschuldigt.

mit ihr bekommt der tag doch noch eine positive wendung. mir werden ein tee und kekse serviert. ich bekomme ein zimmer, das sich als einzelzimmer entpuppt und eine sehr moderne dusche hat. meine neuen blasen sind vergessen, als ich im convent zusammen mit ca. 25 frommen und freundlichen französischen frauen zu abend esse – quasi als hahn im korb. weil ich der einzige pilger heute bin, bekomme ich zudem die nahezu ungeteilte aufmerksamkeit von soeur andrée, die sich sehr bemüht meine begrenzte sprachkenntnis durch zuvorkommende gastfreundlichkeit auszugleichen.

was für ein tag – dieser 11.11.2014

cahors!

wenn sahagun auf meinem weg nicht ganz so den guten klang hat (hier mussten renate und ich im letzten jahr aufhören, und wären gerne weiter gelaufen. und hier wurde ich zu meiner mutter zurück gerufen), so hat cahors auf meinem weg den guten klang.

hier haben vorletztes jahr renate und ich angefangen den camino zu laufen. und damals haben wir das wirkliche pilgern begonnen. die strecke von zuhause nach cahors mit fahrrad und zelt war wunderbar, aber (für mich) nicht so recht das echte pilgern. zu fuss gehen ist langsamer und bedächtiger, als fuss-pilgerin siehst du mehr, hörst du mehr, riechst du mehr.  cahors haben wir 2004 mit dem fahrrad kennen gelernt und wir haben 2012 cahors mit dem verspäteten zug spät in der nacht  erreicht, um am nächsten tag richtung santiago aufzubrechen.

in cahors haben wir damals andré zum ersten mal gesehen, wie er über die lot-brücke ging.

und heute war ich nun wieder in cahors!

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im hotel

es gibt orte auf dem jakobsweg, da wird es in der nebensaison schwierig ein bett zu finden. zum glück gibt es in frankreich den miam-miam-do-do (dt: essen-essen-schlafen-schlafen), der jedes jahr aktualisiert herausgegeben wird. darin sind sehr viele übernachtungsmöglichkeiten aufgeführt. diesen miam-miam-do-do, den sehr viele französische pilgerinnen verwenden, habe ich mir bei meiner ankunft in frankreich besorgt.

wenn ich abends in einer herberge ankomme, und dann in die etappe des nächsten tages schaue, geht der blick auch in das herbergsverzeichnis des miam. zuerst schaue ich nach den pilger-herbergen (gites, auberges) und ob sie auch das ganze jahr offen sind (viele schliessen mitte oktober). die zweite präferenz sind dann die chambre d’hotes (die zimmer mit familienanschluss). beide möglichkeiten der übernachtung sind gesellig, persönlich und individuell. hier treffe ich in der regel andere pilger oder kann mit den hausleuten kontakt haben. ausserdem sind sie preislich günstig.

die letzte kategorie sind die hotels – die sind in der regel teuer und unpersönlich. dafür habe ich da meistens den grössten komfort. gestern mittag waren (wochenende) alle verfügbaren gites geschlossen und die chambre d’hotes waren alle belegt. da blieb mir nur das hotel übrig.

gut – das zimmer war gemütlich und ich habe mich ausgebreitet! richtig ausgebreitet! schlafsack und  das zusammengerollte pilger-handtuch gelüftet. ich habe das ganze zimmer in beschlag genommen. und ich habe ‚mein bad‘ ausgenutzt, auch wenn die dusche eine badewanne war.

das essen war gut und ich konnte auch noch danach in meinem badezimmer nase-weise daran teilhaben.

vielleicht war das ein grund dafür, dass ich am morgen danach etwas mehr an geldscheinen auf den kleinen rezeptionstisch legen musste. ein gespräch (oder diskussion) habe ich mir verkniffen. (wie heisst die alte reise- weisheit: wer wenig worte kennt, bezahlt etwas mehr.)

wie weihnachten

der tag begann mit Therese! nach dem frühstück kam sie zur tür herein und überreichte mir ein längliches und sehr schlankes paket. allen war klar, was es beinhaltete. meine renate hatte weder mühe noch kosten gescheut und mir meinen stock – den ich bei meinem heimat-aufenthalt, als meine mutter starb, vergessen hatte – nach frankreich geschickt! wg. postalischer irritationen hatte mir Therese schon vorher ein päckchen hinterher gefahren. für sie war es – so wie sie es mir sagte: ein freundschafts-dienst für jakobspilger.

und nun dieser nochmalige freundschafts-beweis! Therese wollte unbedingt wissen, in welcher herberge ich wo übernachte, weil sie wusste, dass noch ein paket unterwegs war. in ihrer ureigenen herzlichen art bekam ich es nun von ihr überreicht. als antwort auf meinen dank dafür stimmte sie das lied der (französischen) pilger an, das sie auch bei anderen anlässen sang: tous les matins nous prenons le chemin, tous les matins nous allons plus loin … – ultreja! und ich konnte nun meinen weiteren weg mit der unterstützung meines stockes fortsetzen.

noch etwas weiteres sollte meinen weiteren weg unterstützen: wintertaugliche wanderschuhe. nachdem ich schon vor ein paar tagen bemerkte, dass bei beiden schuhen nähte aufgeplatzt waren, wollte ich einen schuster auf/suchen. der in moissac entdeckte noch weitere heiklere ‚verletzungen‘ und schickte mich in ein fachgeschäft für wanderschuhe. dort stand im regal ein paar, das wohl auf mich gewartet hat. die grösse stimmte, die füsse passten gut rein – nach mehreren rundläufen im geschäft zog ich sie gar nicht mehr aus und trug die ‚alten‘ in die herberge.

dieser tag begann also mit zwei neuen sehr wichtigen pilger-utensilien: stock und schuh. ein guter tagesbeginn, den die sonne dann noch fortsetzte.

asphalt, zum zweiten

dieser weg konnte kein weiter sein. von vorn herein war mir klar, er wird eben und gerade sein wie in der meseta. er wird allerdings durch alleen und an einem kanal entlang führen.

ABER: er wird durch-gehend asphalt sein. er war die generalprobe für zweierlei: wird mein rechtes bein solche wegstrecken wieder schaffen? vor allem aber werde ich die not-wendige langsamkeit über die ganze strecke durchhalten? und wir beide haben es sehr gut geschafft. ohne probleme kamen wir in moissac an. sicher hat dazu auch ein bild eines pilgers mit beigetragen, der mir entgegen kam: die seele fliegt gern voraus, besonders wenn es der heimat zugeht. die füsse sind aber dem boden verhaftet. da braucht die seele geduld um achtsam mit den füssen sein zu können.

nur der regen hat mich und meine schuhe etwas stärker beansprucht. der schuhmacher in moissac konnte nichts mehr reparieren. nun musste vollbracht werden, was der heran nahende winter sowieso verlangt hätte: neue wanderschuhe kaufen. und in moissac haben sie im regel auf mich gewartet. ich habe sie gesehen und anprobiert. nach einigen rundgängen im schuhladen waren es meine – und ich habe die sie dort auch gleich an den füssen gelassen.

 

 

 

 

die schnelle post von miradoux

heute haben Therese und ich versucht, die unendlichen tiefen der deutsch-französischen postalischen partnerschaft zu ergründen. unser versuch ist gescheitert. zur EU-internen paket-recherche benötigt man/frau eine nummer, die liegt aber in deutschland auf einem schreibtisch (morsbach), der gerade unbesetzt war. aber der post-computer miradoux war ausser funktion, was die sofortige nummern-recherche erübrigte.

das war Thereses alternative: auf dem weg zum nächsten etappenziel gehe ich bei der nächsten grösseren stadt auf die post und recherchiere dort. das ergebnis gebe ich ihr telefonisch durch (ggf. per übersetzung mit hilfe von andré, einem des englischen mächtigen franzosen).

ich zog also – mit ultreja und winken begleitet – von dannen. es war gerade eine stunde vergangen, als ich auf der strasse vor mir ein auto bemerkte, das etwas eigenartige fahrmanöver durchführte. anhalten, in waldeinfahrt einbiegen, wenden, auf mich zufahren und anhalten. dem auto entstieg Therese und übergab mir freudestrahlend das päckchen. da ich wusste, das ein teil des inhalts für sie bestimmt war, öffnete ich es gleich. die künzelsauer pralinen übergab ich ihr, den rest versuchte ich in meinem rucksack unterzubringen. mit ultreja fuhr sie fröhlich zurück und – weil ich auf die schnelle nicht alles im rucksack unterbrachte – ich zog mit einer schachtel unterm arm fröhlich weiter meines weges.

 

 

vorweihnachtliche anspannung

manchmal läuft hier recht viel. nicht dass ich viele kilometer am tag unterwegs bin. das ist gerade aus ‚beinlichen‘ gründen eher weniger (ich habe gelernt kürzer zu treten!)

manchmal läuft drum herum recht viel, z. b. in der herberge. – und manchmal ist Internet-mässig gar nicht viel los. und manchmal gibt es kein wifi und im französischen land ist der mobile internet-empfang sehr dürftig. das sind die gründe dafür, dass manche tage auf sich warten lassen.

heute  war bei mir viel los. ich bin heute gelaufen und habe mich gefühlt wie ein kind zwei tage vor weihnachten. ziel war miradoux, die stadt in der die herberge ‚La Pause Verte‘ ist – und Therese. im laufe des vormittags telefoniere ich in der regel und melde mich in der abendlichen herberge an. auch in der grünen pause habe ich das so gehalten und bei zwei nummern auf dem anrufbeantworter meine anfrage hinterlassen. in der regel melden sich die hospitalieras und bestätigen oder nicht. Therese nicht – sie hat auch keine gite – wie sie mir später erklärte – sie hat une maison. ich wartete und wartete – vergeblich.

ich wartete vor allem aber, weil ich wusste, dass renate ein päckchen (mit einem mir noch fehlenden wanderführer und neuen socken) und meinen stock zu ihr geschickt hatte. hatte die zusammenarbeit der deutschen und französischen post geklappt? dann müsste beides jetzt bei Therese liegen.

ich kam an und bekam mein zimmer. aber ich bekam statt dem paket ’nur‘ obst und tee angeboten. die zusammenarbeit hatte also nicht funktioniert und die enttäuschung war mir vermutlich anzumerken. mir ging es wie einem kind, das die falschen weihnachtsgeschenke bekommen hat. auch wenn der camino für vieles eine lösung bietet und Therese mir ein einfaches, aber ganz fantastisches abendessen angeboten hatte, konnte ich den tag nur halbwegs beruhigt abschliessen.

warum nur, warum?

mein bein geht so weit wieder… aber ich möchte es noch eine weile schonen. es hat gedauert, bis es so weit war.

heute ist mir dann doch auch die frage wieder in den sinn gekommen; warum machst du das? (zumal es heute morgen beim loslaufen ordentlich geregnet hat.) klar: den beruf auf diese meditative weise beenden, meine (neue) situation befühlen und bedenken, mich für das kommende bereit machen.

und ich spüre darüber hinaus auch noch eine innere verpflichtung. ich habe es auf dieser seite geschrieben: „gemeinsam mit anderen, z. b. mit besuchern meines blogs mit einem kleinen beitrag deren situation verbessern können. ich möchte kinder und jugendliche mit handicaps im norden indiens unterstützen.“

ashadeep das ist ein weiterer grund, warum ich laufe. nachdem mein bein wieder geht, möchte ich auf junge menschen aufmerksam machen, bei denen das nicht so einfach geht.

an dieser stelle möchte ich allen bisherigen sponsoren/spenderinnen ein ganz grosses DANKESCHÖN sagen. ihr alle habt euren kleinen beitrag gegeben, dass an einem kleinen ort die situation von (jungen) menschen besser werden kann! DANKE

 

ruhetag

gestern abend war ein grosser teil meiner wäsche noch nicht trocken. der wetterbericht sagte für heute keine glorreichen aussichten voraus. und letztlich wäre eine kleine ruhepause für mein bein sehr förderlich. dazu kam, dass die herberge eine sehr freundliche und achtungsvolle atmosphäre hatte.

dies führte dazu, dass ich gestern abend mich entschloss einen ruhetag einzuschieben. ich liess mich heute also nicht vom wecker wecken, sondern von meiner blase. und ich frühstückte mal wieder so richtig total gemütlich mit allem drum und dran (der grosse tisch der herberge trug sehr viele feine fresschen). dann liess ich mir den tag über alle zeit der welt. ich arbeitete den blog etwas auf und zwischendurch versorgte ich meine wäsche. ich weihte auf meinem fairphone skype mit renate zusammen ein. downtown war ein café au lait mit einem croissant für mich hergerichtet. vor dem abendessen in einer von laurent, dem hospitaliero empfohlenen kneipe wurde ich von ihm auf ein gläschen wein eingeladen. da sass ich dann mit zwei französinnen und ihm zusammen und versuchte mein knappes französisch anzubringen. da verliert so mancher franzose die geduld, wenn ich seinen wortschwall zum x. mal nicht verstanden habe (verständlich!) doch auch im englisch-französischen mischmasch ergibt ein wort das andere. und so prophezeite mir mein hospitaliero, ab sofort nur noch in seiner muttersprache mit mir zu reden. und was nehme ich daraus mit? ich will vor allem mein vokabular aufbessern.

der abendliche gang durch die stadt deutete an, dass für mein bein dieser ruhetag sehr sinnvoll war. und morgen gehts weiter!

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camino im jagdrevier

herbstzeit ist jagdzeit – auch auf dem camino. nicht, dass jagd auf die letzten verbliebenen pilgerinnen gemacht wird. nein – neben und auch auf dem camino sind die herbstlichen jäger präsent.

anfangs fiel mir auf, dass vor allem am wochenende bzw. am sonntag jagdsaison war. da tönten schon früh morgens von überall her die schüsse durch wald und feld. neuerdings ist das nun täglich der fall. und es kommt mir manchmal so vor, als ob der schütze sich neben mir im wegesgraben befindet. mehr als einmal wurde mir angst und bange bei dem gedanken, ob der mann hinter der flinte auch im jagdfieber zwischen mir in meinem braunen pulli und einem reh unterscheiden kann.

was ich heute erleben durfte, war für mich die krönung der camino-jägerei. ich trete ums eck aus dem wald heraus und keine 200 m von mir entfernt pirschen zwei flintenmänner mit ihrer waffe im anschlag durch eine hoch gewachsene herbstliche wiese. ich werde – mit meinem angeschlagenen bein sowieso langsam – vor erstaunen und erschrecken noch langsamer. so bewegen wir drei uns vorsichtig vorwärts, ich sie und sie wen auch immer betrachtend. der camino kann manchmal unbarmherzig sein – er führt mich noch näher an die jäger heran. also noch langsamer werden oder gleich stehen bleiben? da gellen plötzlich zwei schüsse durch die morgendliche ruhe. ich fahre zusammen! im selben moment rennt aus der wiese heraus ein hase direkt vor mir über den weg ins benachbarte feld. ich erschrecke noch einmal, nur nicht so heftig. der hase ist über alle berge, da winkt einer der beiden mich vorbei. im glauben, nun ist alles überstanden, lege ich wieder an tempo zu. da höre ich hinter mir geräusche wie das quiecken eines ferkels. irritiert drehe ich mich um und sehe zu meinem erstaunen einen kleinen hund mit seiner nase am boden und ‚quieckend‘ im zickzack auf mich zu rennen. kurz vor mir dreht er ab und folgt wohl der fährte in die wiese zurück.

übrigens: morgen haben die huberts namenstag – der hl. hubertus ist der schutzpatron der jäger und waldarbeiter.

nachtlager

am ende jeden tages ist jede pilgerin auf der suche nach einem bett. in spanien und zur hauptsaison habe ich einfach die nächste herberge anvisiert- und fertig. als einzelner bekommt man/frau eigentlich immer ein bett, wenn er bzw. sie nicht wählerisch ist.

nun ist nebensaison und viele herbergen sind schon geschlossen. sie machen oftmals mitte oder ende oktober zu. dann dünnt sich die  möglichkeit aus ein geeignetes bett zu finden. wer nicht so mutig ist drauf los zu laufen (wie ich zur zeit), der plant nun seine tagestouren etwas mehr. und wer sicher gehen will, dass das bett, das er sich heraus gesucht hat, auch bekommt, der ruft vorher an und reserviert. – das ist gar nicht so einfach, auch wenn man die standardsätze so drauf hat. ich bin nicht fit im hören und verstehen von mehreren schnell gesprochenen französischen sätzen. dann kann es sehr holprig werden.

ich habe die erfahrung gemacht, dass es auch mit gites eng werden kann. zum glück gibt es in frankreich die chambre d’hôtes – die gästezimmer mit familien-anschluss. das ist dann teurer, aber man hat seinen eigenen raum und kann sich ausbreiten. das schöne und wertvolle für mich ist der familien-anschluss. da ist zum einen die freundliche aufnahme und das gemeinsame (individuelle!) abendessen. zum anderen ist das für mich vor allem die grosse chance im kleinen kreis französische konversation zu üben.

 

ausstieg aus der stadt

schon in spanien waren die städte zwar eine infrastrukturelle fundgrube an dingen, die eine pilgerin braucht und auch nicht braucht. manchmal sind (grosse) städte zu fuss schier unermesslich. lange brauchts, bis die pilgerin den kern erreicht und genauso ist es beim hinaus gehen.

als zurück-pilger habe ich in den städten noch eine weitere hürde zu nehmen: hinaus finden. so gut ich heute nach nogaro geleitet wurde, so schlecht war das hinaus kommen. kaum hatte ich die letzten häuser hinter mir gelassen, wurden auch die zeichen weniger. wenn es für die pilgerin keinen weg nach links oder rechts gibt, braucht sie auch kein zeichen (auch wenn es gut tut, immer wieder mal eines in den blick zu bekommen). so weit, so gut. was aber, wenn es dann nicht mehr geradeaus geht? mein letztes zeichen führte mich geradeaus. und dann war der weg zu ende. nach rechts gehe ich nur zurück, also am ehesten nach links. wenn der weg dann auch aufhört, ist er wohl falsch gewesen. so bin ich wieder zurück zum letzten zeichen (pilgerinnen-weisheit) und habe sehr aufmerksam das letzte stück noch einmal gemacht. mit der erkenntnis ‚ich habe nichts übersehen‘. meine lösung: die etwas einfache karte des miam-miam-do-do nach der sonne einnorden und die richtung zum nächsten camino-teil anvisieren. also pilgerte ich zwischen wiesen, gräben und äckern durch bis ich wieder menschliche behausungen betrat. dort erfuhr ich dann, dass ich einen halben kilometer quasi zurück musste, um den camino wieder unter den etwas lädierten beinen zu haben. aber wie heisst es unter pilgerinnen? „auch das ist der camino!“

hunde

wer auf dem camino unterwegs ist, trifft nicht nur pilgerinnen, hospitalieras und andere eingeborene menschen. auf dem ganzen weg begegnete und begegne ich vielen hunden (und hündinnen 😉 .

bei den hunden ist es wie mit den menschen – jede ist anders: grosse und kleine, dunkle und helle, laute und leisere, dünne und dicke, mit hohem und mit tiefem bellen, ruhige und aufgeregte. eben wie bei den menschen.

bei den hunden kommt noch eine eigenschaft dazu: angekettet, eingesperrt und frei. dies hat auswirkung auf ihr verhalten! sind sie ihrer freiheit beraubt, reagieren sie meistenteils laut, aufgeregt und auch aggressiv (verständlich, auch wenn es mir sicherheit gibt). sie zerren an ihrer kette oder sie rennen irrsinnig den zaun hin und her.

sind sie frei, dann kann man leicht ihren eigenen charakter erkennen. die gemütlichen beachten einen nicht oder schauen mir nur schläfrig nach. die neugierigen kommen auf mich zu, beschnuppern mich und gehen wieder. die (meist jungen) spieler umtänzeln mich, wahren aber letztlich meine intimsphäre. die vorsichtigen wächter bellen mich an, bleiben aber stehen, solange ich weiter meinen weg gehe. die eifrigen wächter springen bellend auf mich zu (mein adrenalinspiegel steigt!), so dass ich langsam aber eindeutig die strassenseite wechsele. bei den übereifrigen wächtern stellen sich schon mal die nackenhaare (erst ihre, dann meine) und es liegt ein ton in der stimme, der nicht freundlich ist. wenige male haben wir uns – face to face – ganz langsam voneinander entfernt, wobei ich versuchte um so freundlicher ein gespräch in gang zu setzen. und in allen fällen hat das zum glück geklappt. nur einmal nicht so recht.

dem kleinen hippeligen bin ich wohl zu schnell und zu nahe an herrchens herberge ran. da dieser erst sekunden später (zum glück) kam, hat mir der kleine ins hosenbein gezwickt. sekunden-bruchteile später war er gottseidank wieder friedlich. da hatte ich mir einen stock gewünscht!

die mir sympathischsten hunde habe ich in galicien getroffen. sie liegen mitten auf der strasse und dösen vor sich hin. egal wer oder was vorbei kommt, sie heben vielleicht gerade den kopf und schauen einem nach um dann weiter zu pennen.

einübung von langsamkeit

solange körperteile (nicht nur die!) normal mitarbeiten, fallen sie nicht auf. sie sind da, tun ihren job und gut ist. spüren und auffallen – das gibt es erst, wenn es nicht mehr rund läuft.

heute lief es bei mir überhaupt nicht rund! die erfahrung von gestern steckte mir noch in den knochen – denen von rechts unten. von anfang an versuchte ich langsam zu gehen. gestern gab mir das der schmerz vor. heute war er ja (erst mal noch) nicht da. und nun musste der kopf bzw. das hirn die langsamkeit vorgeben. das ging auch eine weile recht gut. nur hatte das noch ein paar weitere dinge zu tun (nach zeichen schauen und die richtung koordinieren, energienachschub organisieren usw.). und es hat einfach zwischendurch nach lust und laune experimentieren wollen (sinnieren, ideen entwickeln, nach-denken usw.). immer wieder zog ich die bremse an, und irgendwann war ich wieder etwas zu schnell. kleine pausen sorgten dann für erholung. schliesslich kam der schmerz zurück und bremste aus.

als dann noch die herberge geschlossen hatte, in der ich unterkommen wollte, war mir klar, jetzt geht nichts mehr! ein taxi brachte mich vom land in die nächste stadt. mit hilfe einer pilger-freundin hatte ich dann im 4. anlauf ein bett.

 

gute zeichen, schlechte zeichen

die spanierinnen können weniger asphalt, aber die französinnen können bessere rückwärtszeichen! (nachdem mich meine jüngste tochter ganz höflich gefragt hat, ob eigentlich nur männliche pilger unterwegs seien – was ja ganz und gar nicht so ist – muss ich meinen schreibstil leicht verändern. du hast völlig recht! ich gelobe besserung, lisa!)

also, seit frankreich habe ich sehr viel weniger probleme den rechten weg zu finden. der chemin st. jacques ist hier identisch mit dem GR65 (grande -wander-route). und dieser GR65 ist nach beide n seiten beschildert. ich muss mich nicht mehr umdrehen und schauen, ob ich den richtigen weg eingeschlagen habe. ich muss auch nicht mehr rätseln, aus welcher richtung ein pfeil gemeint ist. an jeder abzweigung gibt es nun klare angaben in welche richtung ich gehen muss. damit kann ich von daher auch gut damit leben, das mir sehr viel weniger pilgerinnen entgegen kommen.

aber ich laufe sehr oft auf asphalt. wie viele andere pilgerinnen der anderen richtung vor mir versuchte ich die seitenstreifen zu nutzen. das ist teilweise sehr gut möglich (zu sehen an den schmalen ausgetretenen pfaden neben der strasse). der seitenstreifen kann aber auch sehr schräg oder uneben sein, dann ist im vergleich dazu der asphalt die leichtere oberfläche.

kurzum: mir tut das rechte (schien)bein immer mehr weh. als ich dann an meinem – vermeintlichen – ziel an die herberge komme, heisst es, der ‚patrone‘ sei nicht da, die herberge ist geschlossen. und dann hilft auch nicht weiter, dass im aktuellen camino-führer von 2014 steht, sie sei bis oktober geöffnet. also versuche ich aufrechten ganges die nächsten 4 kilometer mit meinem bein zu bewerkstelligen. der lohn der qual ist ein chambre d’hôtes mit einem freundlichen älteren ehepaar, einem wunderbaren abendessen und einem zimmer, in dem ich mich ausbreiten kann.

asphalt, asphalt, asphalt…

der tag fängt gut an: frisches brot, richtige butter, zwei sorten marmelade, o-saft, guter kaffee und joghurt hat mir Mme. Marie-Jo (von meinem chambre d’hôtes) hingestellt. und bei meiner bitte um wasser für meine flasche hat sie meine französisch-fortschritte gelobt. schliesslich hat die ältere dame (auch mit  hörproblemen) mich zum gartentor begleitet, um mir den weg in die richtige richtung zu zeigen. mit bisou-bisou und einem ‚bon chemin et bon courage‘ verabschiedet sie mich.

wie schon an den vortagen ist der weg gar nicht so gut und ich brauche viel mut. überwiegend besteht er aus asphalt. und heute ging es dann auch noch auf und ab (wobei mir auf tausend mal lieber ist als ab). das können die spanier besser – camino-oberflächen aus asphalt gab es dort im verhältnis deutlich weniger. nun muss ich mehr mit asphalt leben, bzw. auf ihm gehen. auf die dauer ist das anstrengend und kräfte zehrend. und so taten mir doch recht die beine weh, als ich in der neuen herberge ankam.

 

hier ist es richtig sommer

seit einigen tagen scheint hier die sonne von einem strahlend blauen himmel herab. wenn einem nicht immer das wort ‚oktober‘ ins auge springen würde! temperaturen und alles drum herum versetzen einen in den august oder september.  die wenigen pilger wandern bei einem wetter wie im sommer.

besonders schön sind die sonnenaufgänge, die ich im laufen anschauen kann. immer gen osten und früh genug auf den weg gemacht, erlebe ich die schönsten himmelsszenarien: wie die farben des morgenhimmels sich mit dem aufgang der sonne verändern, wie die sonnenstrahlen mit den wolken spielen und wie dieser leuchtende ball hinter dem horizont hervor kommt und sich in den himmel erhebt. das ist fernsehen der premiumklasse!

heute morgen war es besonders spannend, ob ich dieses programm wieder betrachten kann. nachdem mein handy wieder die richtige zeit anzeigte, sagte sich auch der sommerzeitwechsel an. hatte ich am vorabend richtig gerechnet? – wie bei den vorherigen morgen konnte ich auch heute wieder an diesem imposanten natur-schauspiel teilhaben.

in die tiefen des landeswechsels

ein neues land braucht neue grundlagen. ich besorge mir in mehreren anläufen eine französische telefon/internet-karte fürs handy. hat frankreich eine andere zeitrechnung? meinem handy nach haben wir hier den 1. august und eine ganz neue zeit. aber das problem ist nicht frankreich, sondern ‚le portable‘. das muss gerichtet werden und alles braucht seine zeit und so spendiere ich den vormittag für ganz andere dinge als laufen. nebenher komme ich langsam in die hiesige sprache rein.

und beim ersten unterwegs-frühstück möchte ein älterer franzose meine  sprachkompetenz weiter erhöhen. 30 jahre in deutschen städten ziehen in unserem gespräch vorüber. dabei wollte ich doch durch französische örtchen laufen. und gegen später möchte eine französin wissen wie das mit dem rückwärts-pilgern ist – natürlich in französisch.

abends komme ich in eine kleine alte dorf-herberge. keiner das ausser der putzfrau, die gleich nach dem monsieur ruft. statt ihm kommt ein anderer, der meint ich solle mir ein bett suchen und duschen, monsieur komme um 6 uhr. das waren auf ihn machen irgendwelche geräusche in der zimmerdecke spannender. ich kann weder innen noch ausser haus was finden. als monsieur kassieren kommt, schaut auch er nochmal, findet aber nichts. nach dem abendessen in der dorfkneipe schliesse ich mich erst mal im haus ein. da fühl ich mich schon weniger unheimlich. dann ziehe ich mich in den schlafraum zurück, den ich nun als einzelzimmer nutze. in der nacht wache ich an diesen besagten geräuschen auf. mit der stirnlampe leuchte ich die decke auf undichte stellen ab. ich entdecke keine, es ist nun sich wieder still geworden. am nächsten morgen verlasse ich wohlbehalten die herberge mit einer für mich bisher einmaligen erfahrung.

 

 

 

 

 

hinauf in ein neues land

heute ging es von roncesvalles aus zuerst einmal nur hinauf in die pyrenäen. je höher, desto steiler! und die ‚arbeit‘ wurde belohnt. ein letzter blick zurück nach spanien: das alte kloster roncesvalles im vordergrund, dahinter der spanische teil des baskenlandes und dahinter die schier endlose weite nordspaniens – fast 800 km hatte ich bis hierher zurückgelegt. kaum zu glauben.

ganz allein steh ich hier im hohen grenzland von spanien und frankreich – bin stolz über das was ich hinter mir gelassen habe, freu mich über den augen-blick und bin gespannt auf das was noch kommen wird.

 

dann dreh ich mich wieder um und in strahlendem sonnenschein liegt mir frankreich zu füssen – vive la france! auch jetzt sehe ich in die nahezu unendliche weite des frankenreichs. zunächst mal gibt mir frankreich erst mal ordentlich was unter die sohlen: asphalt, asphalt und nochmal asphalt. mein langer asphalt-abwärts-weg wird in st. jean pied de port zuerst mal belohnt mit einer mandel-schoko-crêpe und einem café au lait. und zum zweiten mit einer wundervollen herberge, in der jeder willkommen ist und alle wie in einer grossen familie den abend verbringen mit spielen, essen, reden und lachen.

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adiós españa

mein letzter ganzer wandertag in spanien. und es zeigt sich dabei von seiner schönsten seite – strahlender sonnenschein, ich kann mir kein schöneres wetter wünschen.

da macht das gehen auch spass, wenn es (fast) nur bergauf geht. ich habe die pyrenäen erreicht! nun bin ich fast 800 km von santiago weg. was habe ich für erfahrungen machen dürfen! vom eingewöhnen in das’rückwärts-laufen‘ über die erlebnisse mit entgehen kommenden pilgerinnen und pilgern bis hin zu den eindrücklichen abenden der besonderen art (einmal-kontakte) in den herbergen. und dazwischen die unterbrechung in der heimat, die meine mutter mir hat zukommen lassen. das ist es, was mir energie gegeben hat: mich in meinem unterwegs-sein in der fremde beheimatet zu wissen! die steten sms und mails von renate und die sporadischen von meinen kindern. dazu die kommentare von freunden und verwandten in diesem blog. allen möchte ich hier ein grosses dankeschön sagen.

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the winner is …

heute habe ich mich von den grossen städten spaniens verabschiedet. ich habe die letzte hinter mir gelassen: pamplona. ich freu mich darauf, nun nur noch durch kleine dörfchen und natur gehen zu können.

aber eines muss man pamplona lassen – es hat sich in vertretung der grossen städte in sehr würdiger weise vom rückwärts-pilger verabschiedet. er – und jeder andere pilger, egal welche richtung – wird in vorbildlicher weise auf dem camino durch die stadt geführt. von stadtgrenze zu stadtgrenze sind durchgehend (!) im abstand von 5 bis 10 m metallkreise in der grösse von ca. 20 cm verlegt. kein verirren, kein verunsichert sein und kein suchen – besser kann man es nicht machen. so konnte ich bei wunderschönem wetter durch die stadt flanieren. dafür erhält pamplona von mir den goldenen pilgerschuh am bande für ihren grossartigen einsatz im dienste der jakobspilger. GRATULATION!

da können sich die anderen camino-grossstädte wie logroño, estella, burgos, Leon u.a. – und sogar santiago eine ordentliche scheibe abschneiden!

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erinnerungen

es vergeht kein tag, an dem an irgendeiner stelle erinnerungen wach werden aus den vergangenen jahren. ich gehe über einen hügel oder um eine ecke, und in meinem hirn gibt es ein lebhaftes bild dazu. erinnerungen aus diesem oder dem letzten jahr, als ich mit renate auf dem weg nach santiago war. so hat mein weg zurück noch eine zweite schicht, die an vielen stellen meinen weg bereichert.

ich mache allerdings auch die erfahrung, dass meine vorahnungen von dem, was nun kommt, ins leere laufen. nein, das muss doch woanders gewesen sein.  so bin ich auf estella zugegangen und ich war überzeugt, dass ich im vergangenen jahr hier andrea, eine junge pilgerin aus ungarn, noch einmal singen hörte. aber estella stellte sich jetzt als grosse stadt heraus, die eher magengrimmen verursacht. ich trat sofort die flucht nach vorne an und ging weiter. um dann einige ecken weiter festzustellen, dass es damals ein ätzend langer weg war, bis wir schliesslich in der Stadt waren. das sind ent-täuschungen – im wahrsten sinn des wortes.

heute sah ich eine beton(platten)wand und ich dachte, die kenne ich, nur mit einem drauf geschriebenen text. der zweite gedanke war, die gibt’s oft in spanien. und kaum war ich um die ecke, da stand sie nochmal da mit einem spanischen gedicht über den jakobsweg. so wird eine starke erinnerung schnell zur wirklichkeit.

ich gehe davon aus, dass die wenigsten meiner lese-begleiter des spanischen sehr mächtig sind. die deutsche übersetzung war auf der nächsten betonwand. von der gibt’s in der folgzeite fotos.IMG_20141019_082139

ver-rückt

heute früh um 5 uhr wurden wir 20 pilger vom ersten handy geweckt. so bald – verrückt, dachte ich mir, denn ich wollte doch erst um kurz vor 7 uhr geweckt werden. also versuchte ich weiter zu schlafen. ein paar andere packten nun ihre 7-sachen, daher legte sich eine gewisse unruhe in den raum. ich bemerkte, dass einige betten bereits verlassen waren. da nun gar nicht mehr an schlaf zu denken war, stand ich auch auf. in aller gemütsruhe vollzog ich mein morgendliches ritual. kurz nach 6 uhr stand ich schliesslich vor der herberge.

die suche nach einer zu dieser zeit offenen bar war auch in einer stadt wie logroño nicht einfach. ich war trotzdem erfolgreich und konnte nun eine gute halbe stunde früher als sonst meinen weg beginnen.

unterwegs kam mir in den sinn: wieso ’so bald – verrückt?‘ dann eher ‚warum so laut?‘ und was heisst überhaupt verrückt? eigentlich ist das, was ich tue auch verrückt.

ver-rückt. da ist was nicht mehr an seinem vorherigen platz, da ist wer nicht mehr im gewohnten verhalten drin, aus seinen gleisen raus. ungewohnt, nicht nachvollziehbar. da hat eine/r den standort verändert. und damit hat sich auch ihre/seine perspektive, ihr/sein blick-winkel verändert. eben halt etwas ver-rückt. verrückt!

das öffnet neue sichtweisen, eröffnet neue möglichkeiten und neue chancen. nun können die dinge, menschen anders angesehen werden…

nutzen wir das! ver-rückt sein, ver-rückt sehen, ver-rückt handeln. die chance, unsere welt noch etwas positiver zu gestalten.

ich war heute früher am ziel. so konnte ich dies ’nutzen‘, um (übrigens das erste mal auf meinem rückweg) im sonnigen nordspanien gemütlich einen vino bianco als aperitif zu trinken.IMG_20141021_203636

sonniger sonntag in der rioja

es werden immer weniger pilger. ich muss mehr und mehr mit der karte in der hand laufen. entweder die ungenauere jedoch aktuellere, oder die ältere und genauere. abwege gehören gerade zu meinem weg. dank von lieben und aufmerksamen eingeborenen menschen komme ich jedes mal wieder auf den rechten weg zurück.

und wenn die sonne so scheint wie in den tagen zuvor schon, so macht das laufen so spass, dass ich gut vorwärts komme. und zwischendurch kann ich noch schöne fotos machen. so habe mein erstes selfie gemacht. ich wollte einfach mal sehen wie ich mit meinem neuen sonnenhut aussehe. auch wenn es sicher noch keine glanzleistung ist, möchte ich es euch als mein erstlingswerk nicht vorenthalten.

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noch ein geburtstag

heute hat lisa geburtstag – sie ist nun ein viertel-jahrhundert alt. ich wünsche ihr, dass sie auch weiterhin mit ihrer herzlichen offenheit und ihrer nachdenklichkeit durch die welt schreiten kann und mit ihrer kreativität und kritischen sicht der dinge ihre welt gestalten kann.

die falle meseta

gestern saßen wir (ein australisches ehepaar mit erwachsener tochter, eine amerikanische frau und ich nach dem abendessen noch zusammen. auch die sehr herzliche hospitaliera war um uns herum. irgendwann ging es um die planung der nächsten tage. da werde ich immer wieder um einen rat gefragt.

so auch gestern in sachen meseta. ich erzählte von meinen guten erfahrungen mit der meseta. da meinte die hospitaliera auf spanisch, die meseta sei eine falle. nach einigen übersetzungsversuchen hatten wir klar, was sie meinte und waren ganz perplex. sie klopfte sich auf die brust und sagte „but is for the soul“. wegen sprachlicher kommunikations-hindernissen haben wir dies nicht mehr weiter diskutiert. heute ging mir das bild von der falle immer noch durch den kopf. vielleicht ist die meseta nicht nur bei grosser hitze gefürchtet. die eintönigkeit dieser landschaft kann einen schon auf sich selbst zurück werfen. vielleicht ist das eine weitere befürchtung bei pilgern…