freitag, 28.09.2018
as seixas – boente (20 km, 706 m höhe)
gegen drei uhr in der nacht bin ich wach geworden. alles ist sehr ruhig in diesem schlafsaal mit über 30 belegten betten. ich bemühe mich ganz, ganz leise zu sein bei meinem gang durch den saal auf die toilette. morgens wache ich gegen sieben uhr auf, als pilgerInnen leise ihre sieben sachen packen. zu diesem zeitpunkt müssen erste pilgerInnen bereits unbemerkt fort und unterwegs sein. ich beobachte, wie respektvoll leise und vorsichtig die wachen ihre sachen packen, damit die schlafenden nicht geweckt werden. auch wir packen ganz leise unsere dinge, ich trage den rucksack vor die tür, um dann draussen mit meiner plastiktüte rascheln zu können. in diesem moment macht ein weisshaariger älterer spanier das grosse licht an, ende der respektvollen dunkelheit.
wir frühstücken mit einem teebeutel und einem mini-marmeladen-döschen, das wir noch im rucksack entdeckt haben – und dem gestern aus dem kofferraum erstandenen brot. den kaffee aus dem automaten lassen wir weg, nachdem pilger erzählen, dass dort wohl das wasser fehlt und nur wenig mehr als feuchter kaffeesatz heraus kommt. dann werden die rucksäcke fertig gepackt und wir gehen los. es ist erst leicht dämmrig und vor allem im wald ist es noch recht dunkel.
die wege sind angenehm, es geht auch mal kräftig bergauf, asphalt hält sich in grenzen. unser blick fällt nach vorne wie nach hinten auf täler, in denen wieder anmutig der nebel liegt und auf die sonne wartet.
bei der ersten bar des weges gibt es dann einen aufgebrühten kaffee (wir sind verwöhnt, merken wir hier wieder) und wir treffen alte pilgerInnen-bekannte, darunter friedrich, der sehr ruhig ist – heute ist sein letzter tag auf dem camino. über den letzten sattel geht es dann nur noch abwärts. die sonne verschwindet immer mehr hinter den zunehmenden wolken und es wird kühler.
dafür nimmt der asphalt wieder zu und erste häuser von melide sind am nahen horizont zu sehen. die gehweg-fliesen in form der quadratischen schokolade kommen mir bekannt vor, vor jahren schon sind wir darüber gelaufen. auch der verkehr, vor allem durch lkws nimmt zu – wir kommen wieder in eine grössere stadt.
an einer kreuzung in der innenstadt suchen wir nach zeichen mit der muschel, ein einheimischer beobachtet das und zeigt uns sofort, wo der jakobs-weg entlang geht – und er erklärt uns noch, wie es hinter der kreuzung weiter geht. so kommen wir an einer kirche vorbei, die geöffnet ist. darin freuen wir uns über echte kerzen und es gibt sogar ein gästebuch. danach finden wir auf der suche nach einer bar hinter einem strassen-eck plötzlich véronique und friedrich wieder. wir setzen uns an einen nachbar-tisch und trinken etwas. sehr viele pilgerInnen-gruppen kommen vorbei! wir entscheiden uns, weitere fünf kilometer aus melide heraus, in die nächste herberge zu gehen. so verabschieden wir uns von friedrich, veronique werden wir sicher nochmal sehen.
dann ziehen weiter mit und in massen von – jungen – pilgerInnen, auffällig sind asiatinnen, die voll verschleiert den jakobsweg gehen. der grund dafür ist ein trend im heimatland, möglichst nicht eine sonnen-gebräunte haut zu bekommen. für uns ist nun völlig klar: das ist nicht mehr der camino primitivo, das ist jetzt der (überlaufene) camino francese pur! wir müssen abschied nehmen vom ruhigen primitivo. da will wohl auch mein hut zurück, denn er bleibt an einem tief liegenden ast hängen. auch für ihn scheint ein anderer camino angesagt zu sein. ich bezweifle jedoch, ob der sommer wirklich vorbei ist und nehme meinen hut vom ast wieder auf den kopf.
der weg an sich ist schön, die sonne scheint, aber inmitten der ungewohnten pilgerInnen-schar ist es kaum mehr möglich, mal kurz pinkeln zu gehen. in boente erreichen wir den ortsanfang und plötzlich liegt links am weg die so genanntedeutsche herberge da. wir benötigen nur eine sehr kurze überlegungs-phase um zu einer entscheidung zu gelangen. im gleichen moment kommt auch véronique vorbei und erzählt uns, dass sie schon eine herberge im ort reserviert habe. wir haben uns entschieden – für die heimat-nahe herberge. wir bleiben dabei auch auf das risiko hin, dass véronique enttäuscht ist.
wir melden uns im restaurant der herberge beim recht gut deutsch sprechenden hospitaliero an. Er wohnte und arbeitete 14 jahre in geislingen und das hört man an dem etwas schwäbelnden deutsch. dann führt er uns in seine sehr moderne herberge mit schönen zimmern und bädern. nachdem wir uns eingerichtet haben, gönnen wir uns einen kaffee und einen (marmor)kuchen. danach nutzen wir auch noch das erdinger weissbier, das es hier gibt. schliesslich können wir bei der hospitaliera unsere wäsche zum waschen abgeben. bis diese sauber ist, nützen renate mehr und ich weniger den pool, in den wir unsere füsse zur entspannung stecken. das tut ebenso auch eine junge deutsche pilgerin aus freiburg, mit der wir dabei ins gespräch kommen. als sie später zum abendessen an unserem tisch vorbei kommt, laden wir sie ein, sich zu uns zu setzen und wir erfahren, dass sie in freiburg medizin studiert. es ist ihr erster camino und wir erzählen ein wenig über unsere camino-erfahrungen. mit der information, dass wir morgen hier kein frühstück bekommen gehen wir zu bett. aber etwa 200 m weiter gibt es wohl eine bar.