dienstag 18.09.2018
tineo – campiello (13 km, 910 m höhe)
ein erstes aufwachen findet statt durch einen handy-wecker von nebenan – deutlich früher, lauter und länger als der unsrige. zweites aufwachen dann durch spanisch klingende gespräche ebenfalls von nebenan. dort sind wohl die vier spanierInnen untergebracht, die wir an den vortagen registriert haben. also aufstehen, richten und packen. renate holt die schuhe und zu meinem schrecken sehe ich, das in meinen die sehr guten wander-socken fehlen! ÄRGER! da hat wohl eine/r gewusst, was qualität ist. zum glück hat renate zwei paar wander-socken dabei! das hilft nicht nur meinen füssen, sondern auch etwas meiner stimmung. das frühstück in der hotel-bar hebt diese noch etwas. in einer bäckerei auf dem weg nach oben zum jakobsweg kaufen wir noch brot ein.
wir gehen den hang entlang am waldrand entlang und haben einen irre blick hinunter ins tal auf tinea. es wird von nebelschwaden durchzogen und nur die höher gelegenen teile des tales ragen über den nebel hinaus. die sonne scheint auf das ganze und es sieht fantastisch aus. immer wieder bleiben wir stehen, schauen und staunen. bei mir immer noch etwas vermischt mit dem ärger über die geklauten socken. renate will mal etwas mehr füsse beobachten und anderen von den fehlenden socken erzählen. ich wünsche dem träger aufgeschlagene knie mit blut, das hinunter zu den socken läuft oder gebrochene füsse, so dass die socken aufgeschnitten werden müssen. später wünsche ich ihm (oder ihr?) dann auch noch fusspilz. über den wunderbaren weg am waldrand, der weiter währt, wird mein ärger deutlich weniger.
später taucht unten im tal ein grosses industrie-gebiet auf und in renate wächst die angst, dort hindurch in den ort geführt zu werden. doch bleiben wir noch lange oben und sehen es irgendwann später hinter uns liegen. so gestaltet sich der einzug nach campiello relativ unbeschwerlich auf wenigen hundert metern asphalt.
wir entscheiden uns – weil wir relativ früh ankommen – zuerst einen kaffee zu trinken. dies ist möglich in der bar herminia, wo aber dessen wirt auf mich nicht den besten eindruck macht. danach gehen wir zur kleinen herberge, um nach zwei betten zu fragen. wir bekommen aber eine absage nachdem der hospitaliero telefonisch bei italienern nachgefragt hat, ob ihre reservierung noch gilt. das bedeutet, wir müssen zum unfreundlichen wirt zurück, was mir etwas schwer fällt. der jedoch reicht uns sofort weiter an seine frau herminia, die uns freundlich empfängt und uns die gewünschten (unten liegenden) betten in einem umgebauten teil einer landwirtschaftlichen halle gibt. zu diesem zeitpunkt ist der schlafsaal nur von einer weiteren frau belegt.
da es relativ früh am tag ist, legen wir eine wasch-runde ein. „lavar ropa“ übersetzt die nette spanierin uns. anschliessend gut auswringen und aufhängen, dann ist zeit für ein eis. und nebenher kommen pilgerInnen für pilgerInnen die strasse herunter und wir wissen, der schlafsaal wird immer voller. als wir mal schauen, was die wäsche macht, ist er gefüllt mit dem regen treiben vieler menschen. wir besuchen in der anderen herberge unsere würzburger pilger-kollegInnen, die dort untergekommen sind. im innenhof dieser stilvollen herberge verbringen wir die stunden bis die sonne diesen nicht mehr warm halten kann. nach einer kleinen bewegungsrunde zum etwas aufwärmen ist dann gemeinsames abendessen angesagt. an einer langen tafel sitzen an die 30 pilgerInnen und warten darauf, dass essbares aufgetischt wird. bevor dieses geschieht, ist mir klar, dass der abend akustisch ein abenteuer für mich wird – es ist unsäglich laut in diesem raum. unterhaltung in englisch oder gar französisch ist für mich kaum möglich. so versuche ich, wenigstens etwas zu verstehen, was ich aus dem akustischen detöse heraus hören kann. aber es gibt einen feinen gruss aus der küche (mini-zwieback mit lachs- und mayonnaise-creme) und dazu (nicht den besten) rotwein. die anschliessende nudelsuppe und der kohl-kartoffel-eintopf (pote asturiano) kommen dem gruss qualitativ gut hinterher. auch das danach gereichte fleisch mit kartoffeln, von dem wir nur noch wenig essen können (der magen ist voll) schmecken sehr gut. nur der mini-eis-hut als nachtisch fällt wieder einmal deutlich ab.
dafür gibt es (auch für mich, nachdem die meisten pilger weg sind) noch interessante gespräche mit einem jungen camino-ehepaar (sie amerikanerin, er engländer, wohnhaft in london), die auf camino-hochzeitsreise sind. wir reden über den brexit („the train is running and it can no longer be stopped“) und mit einem jungen spanier kommen wir dann noch auf die probleme in katalonien. zurück im dunklen schlafsaal – mit über 30 pilgerInnen voll belegt – der durch einige handys und mini-leuchten trotzdem eine gute orientierung bietet, um das eigene bett zu finden. die qualität der luft und geräusche lassen eine spannende nacht erwarten.